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Das Gendersternchen ist seit 17 Jahren verboten – über 4200 unterschreiben Juso-Petition

Dass die Alte Kanti Aarau den Genderstern nicht verwenden darf, freut die Junge SVP und verärgert linke Jung-Parteien. Eine neue Weisung hat der Kanton aber gar nicht erlassen, die Richtlinien stammen aus dem Jahr 2005. 

Ab sofort dürfe die Schule in ihrem internen und externen Schriftverkehr und in schulischen Dokumenten den Genderstern nicht mehr brauchen. Das schrieb die Schulleitung der Alten Kanti Aarau am letzten Freitag in einer Mitteilung an die Schülerschaft. «Schüler*innen», beispielsweise, werde also nicht mehr verwendet, die Alte Kanti Aarau besuchen «Schülerinnen und Schüler».

Nur nach grammatikalischen und orthografischen Regeln

Eine neue Weisung hat der Kanton indes gar nicht erlassen, wie Regierungssprecher Peter Buri auf Anfrage betont. Bereits in den Richtlinien vom September 2005 ist festgehalten, dass der Kanton Aargau in der geschlechtergerechten Verwaltungssprache keine Formulierungen verwendet, die nicht den grammatikalischen und orthografischen Regeln entsprechen. Sprich: Es gibt keine Sonderzeichen.

Die Richtlinien hat der Regierungsrat am 15. Dezember 2021 angepasst, in dem er den Grundsatz, dass sich diese am Bund orientieren, darin aufnahm. Das war vorher lediglich auf einem Merkblatt vom Sommer 2020 festgehalten. Die angepassten Richtlinien wurden Anfang dieses Monats im Intranet des Kantons publiziert und die Departemente haben ihre Abteilungen und Organisationen darauf aufmerksam gemacht.

Auch die Kantonsschulen. Doch die darin enthaltene Sonderzeichen-Regel ist nicht neu, sondern effektiv bereits fast 17 Jahre alt.

JSVP reklamiert Erfolg für sich

Die Reaktionen auf die Mitteilung der Kanti Aarau kamen dennoch prompt, vorab von den Jungparteien an den politischen Polen. Die Junge SVP reklamiert die kantonale Anordnung erfreut für sich: «Dieses Verbot ist dank dem Einsatz der Jungen SVP Aargau zu Stande gekommen», lässt sie in einer Mitteilung verlauten. Die Partei hatte eine Woche zuvor den Einsatz des Gendersterns an der Kanti kritisiert. Jetzt dankt sie dem Kanton, «dass er die linken Ideologen in ihre Schranken weist und die Neutralität der Schulen bewahrt».

Doch auch die linken Jungparteien meldeten sich umgehend. Und diese wollen den Genderstern oder andere gendergerechten Schreibweisen an den Schulen. Die Aargauer Juso lancierte bereits am Freitag eine Petition, die Bildungsdirektor Alex Hürzeler dazu auffordert, die «Weisung» zurückzunehmen und den Schulen den Entscheid über gendergerechte Sprache selber zu überlassen. Innerhalb von 48 Stunden kamen über 4250 Unterschriften zusammen, wie die Partei auf ihrer Website schreibt.

Junge Grüne: Schritt in die falsche Richtung

Eine sofortige Auflösung des Verbots fordern auch die Aargauer Jungen Grünen. Es sei ein Fakt, dass sich nicht alle Personen mit den Geschlechtern Mann und Frau identifizieren können. Gerade an den Kantonsschulen werde das Thema Geschlecht rege diskutiert. Diese Prozesse zu blockieren und den Schulen inklusive Sprache zu verbieten, sei ein Schritt in die komplett falsche Richtung, so die Jungen Grünen in einer Medienmitteilung.

Lelia Hunziker: Politik muss aktiv werden

Lelia Hunziker, Grossrätin SP.

«Das Thema beschäftigt die Jungen extrem», sagt SP-Grossrätin und Gleichstellungspolitikerin Lelia Hunziker. Der Erfolg der Juso-Petition zeige, dass die Politik aktiv werden müsse – auch wenn es sich hier nicht um eine neue Weisung des Kantons handelt. Man dürfe Regeln aus dem Jahr 2005 durchaus überdenken, anpassen und mit der Zeit gehen, so Hunziker.

Dass man im Zuge der letzten Anpassungen dies nicht tat, die Schulen, die Jungen, vielleicht auch die Parteien nicht konsultiert hat, irritiert die Grossrätin. Man merke, dass ein Gleichstellungsbüro fehlt im Kanton. Dabei bilde der Genderstern nichts anderes als die Realität ab, «ohne werden Menschen in Kategorien eingeteilt, denen sie sich nicht zugehörig fühlen», so Hunziker.

Kompromisse möglich

Gendersternchen oder andere Sonderzeichen müssten dabei nicht einmal absolut in die Sprache aufgenommen werden, man könne auch Abstufungen definieren, so Hunziker. «Könnte, als Kompromiss, denn nicht ein Unterschied zwischen amtlichen Publikationen und Informationen, Maturaarbeiten oder in Magazinen gemacht werden?», fragt sie. So aber «ist null Wille für eine zeitgemässe Sprachregelung erkennbar und der Regierungsrat beansprucht die absolute Definitionsmacht für sich», findet sie.

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