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Spital- und Pflegeverband zerzaust Gallatis Gesundheitspapier

Die aktuelle Gesundheitspolitische Gesamtplanung der Kantons Aargau muss überarbeitet werden. Nachdem der Kanton seine strategischen Ziele und Grundsätze vorgestellt hat, sieht der Verband vaka noch in einigen Punkten Handlungsbedarf.

Die Ansätze seien gut – die machbare und nachhaltige Umsetzung aber fraglich. So urteilt der Pflegeverband vaka über die gesundheitspolitische Gesamtplanung, die Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati Ende August vorstellte. Die vaka ist der Verband der aargauischen Spitäler, Kliniken, Pflege- und Spitex-Organisationen.

Worum geht es?

Das 100-seitige Strategiepapier des Kantons zur gesundheitspolitischen Gesamtplanung ist bis Ende November in der Anhörung. Dabei geht es etwa um das Rettungswesen, den Fachkräftemangel oder die Spitallandschaft. Das übergeordnete Ziel sei es, ein «bedarfsgerechtes, integriertes, digital vernetztes, qualitativ hochstehendes, innovatives und finanzierbares Gesundheitswesen für alle Altersgruppen» zu gewährleisten.

Mit der übergeordneten Strategie zeigt sich die vaka einverstanden, für eine sinnvolle Weiterentwicklung des Gesundheitssystems müssten jedoch einzelne Punkte überdacht werden, so heisst es in einer Mitteilung dazu.

Was genau kritisiert die vaka?

Weniger Steuerung: Zur Lösung der anstehenden Probleme versuche der Kanton mehr Einfluss zu nehmen und zentral zu steuern. Das sei erfahrungsgemäss nicht zielführend. Es sei Bund und Kantonen bisher nicht gelungen, mittels Planung die Kosten zu senken und die Versorgung zu verbessern. Aus Sicht der vaka müsse sehr zurückhaltend mit Planungs- und Steuerungskompetenzen umgegangen werden.

Keine Mengen- und Kostenziele: Die Verankerung von Mengen- und Kostenzielen sowie ein Bonus-/ Malus System lehnt die vaka entschieden ab. Solche Massnahmen würden bereits auf Bundesebene als Gegenvorschlag auf die «Kostenbremse-Initiative» diskutiert. Staatliche Massnahmen zur Mengensteuerung hätten in der Vergangenheit versagt und führten nur zu Rationierung und Zweiklassenmedizin.

Finanzierung aus einer Hand: Laut Strategiepapier sollen die Kompetenzen in der Pflegeversorgung vom Kanton auf die Gemeinden übergehen. Sie sollen Versorgungsregionen bilden, Tarife mit Pflegeinstitutionen aushandeln und Leistungsaufträge für die Spitex-Organisationen im Submissionsverfahren vergeben.

Laut Kanton sollen Gemeinden künftig Leistungsaufträge für die Spitex-Organisationen vergeben. 
Bild: Michael Kunz / Zvg

Mit diesem Vorschlag würden aber Hürden in der integrierten Versorgung aufgebaut, so die vaka. Die Vergabe von Leistungsaufträgen für Spitex-Organisationen und Pflegeheime durch die Gemeinden gefährde die aufgebauten Netzwerke und Versorgungsregionen, überfordere die Partner und führe zu administrativem Overkill und juristischen Streitigkeiten. Die vaka fordert die Finanzierung aus einer Hand.

Versorgungslücken schliessen: In vielen Versorgungsgebieten zeigten sich zunehmende Lücken. Es werde schwerer Fachpersonal zu rekrutieren. Deshalb sei es wichtig, die Gesundheitsversorgung zu fördern, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen und unnötige Hindernisse zu beseitigen. Dazu gehört insbesondere auch die Reduktion des administrativen Aufwandes.

Bestellte Vorhalteleistungen finanzieren: Um die Versorgung aufrecht zu erhalten, will der Kanton die Leistungserbringer verpflichten, Vorhalteleistungen, Leistungen der Grundversorgung oder Leistungen im Bereich der Prävention zu erbringen. Durch finanziellen Druck und Fachkräftemangel könnten diese Anforderungen heute nicht oder nur teilweise erfüllt werden. Die Finanzierung dieser bestellten Leistungen durch den Kanton sei zwingend, so die vaka. Solche Vorhalteleistungen müssten nicht nur im Akutbereich, sondern auch im Bereich der Psychiatrie, der Rehabilitation und der Pflegeversorgung entschädigt werden.

Leistungsspektrum der Regionalspitäler: Das Strategiepapier gehe laut vaka fälschlicherweise davon aus, dass die Konzentration von Leistungen in einem Zentrum automatisch zu Kosteneinsparung und Qualitätsverbesserung führt. Dies treffe nicht zu. Für das Überleben der Regionalspitäler sei es wichtig, dass ihr Leistungsspektrum nicht verkleinert wird. Wenn künftig auch Aufgaben in der Notfallversorgung und amtsärztliche Tätigkeiten übernommen werden, braucht es die Finanzierung der bestellten Leistungen durch den Kanton.

Das Aargauer Rettungswesen ist das kostengünstigste der Schweiz
Bild: Sandra Ardizzone

Grundlage für das Rettungswesen: Das Rettungswesen im Aargau ist qualitativ hochwertig und zudem das kostengünstigste der Schweiz. Es brauche daher keine grundlegenden Veränderungen. Rettungsdienste hätten Millionen in Fahrzeuge und Infrastruktur investiert. Bei neuen Standorten gebe es Fragen, wie damit umzugehen sei. Ausserdem müsse verhindert werden, dass private Rettungsdienste «Rosinen pflücken und die anderen den Rest abdecken» müssen.

Wie geht es weiter?

Aufgrund der Rückmeldungen aus der Vernehmlassung erarbeitet der Regierungsrat eine Vorlage an den Grossen Rat, der die Gesundheitspolitische Gesamtplanung genehmigen muss. Nach der Genehmigung durch das Parlament will der Regierungsrat die Ziele und Strategien baldmöglichst umsetzen.

Einige Punkte lassen sich ohne grössere gesetzliche Anpassungen umsetzen, andere benötigen Gesetzesänderungen. Noch nächstes Jahr sollen das Pflege- und Gesundheitsgesetz teilrevidiert werden. Die Totalrevision des Spitalgesetzes will der Regierungsrat 2024 in Angriff nehmen. (phh)

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