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Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung: Was den Fall Köppel speziell macht

SVP-Nationalrat Roger Köppel muss heute in der Immunitätskommission antraben, weil er vertrauliche Informationen ausgeplaudert haben soll. Indiskretionen sind in Bundesbern zwar keine Seltenheit – doch dieser Fall ist aussergewöhnlich.

Gleich über zwei Politiker hat die Immunitätskommission des Nationalrats heute Mittwoch zu entscheiden: Roger Köppel (SVP) und Fabian Molina (SP). Bei beiden geht es um die Frage, ob ihre parlamentarische Immunität aufgehoben werden soll, welche sie vor strafrechtlicher Verfolgung schützt.

Zu reden gibt vor allem Köppel. Er machte am 24. März in seinem Videoblog «Weltwoche Daily» publik, dass russische Geheimdienstagenten in Moskau Uhren des Schweizers Herstellers Audemars Piguet beschlagnahmt hatten. Er soll sich dabei auf vertrauliche Informationen des Aussendepartements gestützt haben. Der Fall ist in mehrerer Hinsicht aussergewöhnlich.

1. Keine Diskretion bei der Indiskretion

Auch wenn es vertraulich ist: Immer wieder finden Angaben aus einer Kommission den Weg in die Öffentlichkeit. Meist bleibt jedoch im Dunkeln, wer aus der Kommission oder der Verwaltung das Amtsgeheimnis verletzte. Wird eine Anzeige eingereicht, dann oft gegen Unbekannt – und das Ganze verläuft im Sand. Der Urheber der Indiskretion lässt sich kaum finden, zumal sich Journalisten und Journalistinnen auf den Quellenschutz berufen.

Bei Köppel ist der Fall anders gelagert: Er las in seinem Videoblog «Weltwoche Daily» aus dem Dokument vor. Die Aussenpolitische Kommission, der er selbst angehört, reichte daher Strafanzeige gegen ihn ein.

2. Eine heikle Doppelrolle

Köppel ist nicht nur Nationalrat, sondern auch Chefredaktor und Verleger der «Weltwoche». Das heisst auch: Als Nationalrat erhält er vertrauliche Informationen, die journalistisch interessant sein können. Es sei eine heikle Doppelrolle, finden manche Ratskollegen und -kolleginnen. Man frage sich manchmal, ob er als Politiker oder Journalist in der Kommission sitze, sagt ein Parlamentsmitglied.

Das Milizsystem bringt es indes mit sich, dass die meisten Politiker und Politikerinnen neben dem Parlamentsmandat einem Job nachgehen. Auch wer beispielsweise einen Verband präsidiert, kann als Politiker Informationen erhalten, die diesem nützen. Köppel ist auch nicht der erste Journalist, der im Bundeshaus sitzt. Allerdings kommt bei ihm hinzu, dass die Aussenpolitische Kommission, bei der er Mitglied ist, sich unter anderem mit der Beziehung zur EU beschäftigt – einem Kernthema der SVP.

3. Das vertrauliche Dokument

Köppel zitierte wörtlich aus einem Dokument, das dem Vernehmen nach explizit als vertraulich klassifiziert war. Das sei etwas anderes, als wenn jemand beispielsweise ausplaudere, wer einen Antrag eingereicht habe, heisst es im Bundeshaus.

Kommissionssitzungen sind grundsätzlich vertraulich. Das soll es den Politikerinnen und Politikern erleichtern, offen zu diskutieren und mehrheitsfähige Lösungen zu finden. Doch nicht alle Unterlagen sind gleich sensibel.

Das zeigte sich etwa bei der sogenannten Kasachstan-Affäre: 2015 machte die «NZZ» publik, dass FDP-Nationalrätin Christa Markwalder Kommissionsunterlagen an eine Lobbyistin weitergeleitet hatte. Die Aussenpolitische Kommission entschied damals, keine Strafanzeige einzureichen, da die weitergeleiteten Informationen bereits bekannt gewesen waren.

4. Immunität? Nein danke!

Köppel wollte von sich aus auf die Immunität verzichten, damit die Bundesanwaltschaft «schnell und seriös» abklären könne, ob er sich strafbar gemacht hat. Allerdings ist dies rechtlich gar nicht möglich. Zuständig sind die Immunitätskommission des Nationalrats und die Rechtskommission des Ständerats. Heben sie Köppels Immunität auf, wäre das ein seltener Vorgang. Zuletzt geschah dies 2018 bei Christian Miesch (SVP) – allerdings erst nach seinem Ausscheiden aus dem Nationalrat.

Köppel selbst will sich derzeit nicht äussern, wegen des laufenden Verfahrens, wie er sagt. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Köppel argumentiert offenbar, er habe die Dokumente in seiner Rolle als Journalist erhalten – bevor sie ihm als Politiker zugestellt worden seien. Das berichtete «Blick »unter Berufung auf «mehrere Quellen».

5. Polarisierende Figur

Unter den National- und Ständeratsmitgliedern gibt es einige, die mehr auffallen und anecken als andere. Köppel gehört unbestrittenermassen dazu. Ein Blick zurück zeigt: Oft sind es polarisierende Politiker, bei denen eine Aufhebung der Immunität zur Debatte steht – zum Beispiel Sibel Arslan (BastA/Grüne, 2021), Walter Wobmann (SVP, 2016) oder Toni Brunner (SVP, 2012).

So geht es nun weiter:

Der heutige Entscheid der Immunitätskommission ist nur ein erster Schritt. Danach ist die Rechtskommission des Ständerats am Zug. Sie wird voraussichtlich an einer der nächsten Sitzungen darüber entscheiden, das heisst Ende Juni oder im September. Heben beide Kommissionen die Immunität auf, kann Köppel strafrechtlich verfolgt werden. Bei einer Verurteilung droht gemäss Strafgesetzbuch eine Geldstrafe oder im äussersten Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.

Parallel dazu könnte das Büro des Nationalrats ein Disziplinarverfahren eröffnen. Eine erste Diskussion dazu ist für Freitag traktandiert. Möglich wäre laut Parlamentsgesetz, dass das Ratsbüro einen Verweis ausspricht oder Köppel bis zu einer Dauer von sechs Monaten aus der Kommission ausschliesst.

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