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Ralph Ehrismann: «In Rothrist soll einmal der Regioexpress halten»

Ralph Ehrismann, vor ziemlich genau zwei Monaten wurde der Kredit zur Wiggertalstrasse an der Urne abgelehnt. Wie geht es da nun weiter?

Ralph Ehrismann: Aktuell liegt der Ball wieder beim Kanton; wir als Gemeinde können vorerst nichts machen. Der Kanton wartet nun, bis das Bundesamt für Strassen, das Astra, mit einem Projekt bei den beiden Autobahnkreiseln und dem Ibis-Kreisel beginnt. Unserem aktuellen Wissensstand nach soll da im nächsten Jahr ein Projekt kommen. Aber erst wenn das Projekt tatsächlich gestartet ist, wird der Kanton wieder aktiv.

Das Nein an der Urne war kein Nein zur Wiggertalstrasse, sondern lediglich zum vorgelegten Kredit.

Genau, ja. Es ist sehr schade, wie die Abstimmung herausgekommen ist, weil es nur um den Kredit ging. Über das Projekt hätten wir noch reden können.

Wie ändert sich nun der nächste Anlauf?

Zukünftig wird wohl vom Kanton zuerst das Projekt fertig geplant und dann der Kredit vom Gemeinderat nochmals an einer Gemeindeversammlung vorgelegt. Wie das Projekt aber schlussendlich aussieht, ob und welche Änderungen es gibt, kann ich nicht sagen. Das kommt auch darauf an, wie gesprächsbereit der Kanton ist. Sehr wahrscheinlich gibt es aber an der Wiggertalerstrasse selbst keine Änderungen, sondern höchstens an den flankierenden Massnahmen, die ja viel zu diskutieren gaben.

Gerade verkehrstechnisch kommt mit dem geplanten Lidl-Verteilzentrum in Roggwil einiges auf die Gemeinde zu.

Richtig. Die Einsprache der Gemeinden wurden vom Kanton Bern abgelehnt. Wenn das Verteilzentrum tatsächlich realisiert wird – und realistisch gesehen müssen wir davon ausgehen –, wird wohl massiv mehr Schwerverkehr durch die Gemeinde rollen. Davon sind wir nicht begeistert.

Ende Mai 2020 sprachen Sie sich noch gegen eine Steuererhöhung aus. Mit der Verschuldung der Gemeinde im Blick: Wie stehen Sie heute dazu?

Wir haben immer darauf hingewiesen, dass eine Erhöhung der Steuern nötig werden kann. Auch an der Gemeindeversammlung von gestern Abend informierten wir die Bevölkerung, dass wir für 2023 eine Erhöhung des Steuerfusses planen, um die Schulden im Griff zu halten. Eine genaue Zahl lässt sich allerdings noch nicht benennen. Beim Erstellen des Finanzplans haben wir aber einmal mit fünf Prozent gerechnet. Wegen Corona haben wir die Steuererhöhung im Übrigen bewusst nicht in dieses Jahr gelegt. Wir hoffen, dass der Spuk 2023 vorbei ist.

Wie hat Corona die Gemeinde getroffen?

Auf der Verwaltung hatten wir glücklicherweise kaum Fälle und wir konnten immer offen sein für die Bevölkerung. Von den Gewerbetreibenden kamen keine dringenden Hilferufe, und in der Bevölkerung gab es keine Zunahme bei den Sozialfällen. Schade ist es für die Badi, die seit der Eröffnung noch keine Saison ganz geöffnet haben konnte. Zurzeit klappt es aber ausserordentlich gut mit dem Schutzkonzept, das freut den Gemeinderat sehr. Langfristig sieht es auch finanziell gut aus: Wir rechneten in der Badi mit einem jährlichen Verlust von zirka einer Million Franken. Es deutet aber alles darauf hin, dass es weniger sein wird.

Ein Thema, dass sich durch das letzte Jahr durchgezogen hat, ist das Strebel-Areal und der Konkurs der Besitzerin. Hat die Gemeinde Pläne für das Areal?

Wir hoffen nicht, dass es zu einer Versteigerung kommt und dass ein Verkauf vorher realisiert werden kann. Die Gemeinde ist sicher am Areal interessiert, gemeinsam mit Rothrister Unternehmen. Wir würden das Gebiet gerne zusammen mit Partnern übernehmen, damit wir kontrollieren können, was da passiert.

Die Gemeinde hätte in der Vergangenheit gerne gemeinsam mit Partnern eine AG gegründet und das Areal gekauft. Schwebt Ihnen diese Lösung noch vor?

Es kann sein, dass es eine AG mit Beteiligung der Gemeinde gibt. Es ist aber noch zu früh, um Genaueres zu sagen.

Was wäre Ihr Traum für das Areal?

Wenn ich wünschen könnte, hätte ich zuerst gerne einen seriösen Besitzer. Ich fände einen Produktionsbetrieb toll, da diese in der Schweiz fehlen. Ich hoffe, dass diesbezüglich in der Schweiz wieder ein Umdenken stattfindet, befeuert durch die aktuellen Lieferprobleme, wenn alles aus China oder sonst einem Markt kommt. Das Areal wäre ideal dazu: Es hat keine Wohnhäuser in der Nähe und es dürfte auch etwas gelärmt werden.

Mit Wohnraum überbauen lassen wäre keine Option für Sie?

Zofingen verfolgt vermehrt eine Strategie mit gemischten Zonen, für uns ist das aber nicht der Weg. Wir möchten, dass es eine reine Industriezone bleibt. Aber klar: Wenn wir sagen, dass dort Blöcke gebaut werden können, ist das Areal innert kurzer Zeit verkauft.

Vor zwei Monaten wurden Sie wiedergewählt, vor eineinhalb Jahren sagten sie, dass sie danach aufhören werden. Ist das immer noch ihre Absicht?

Ja, definitiv. Nach dem Ende der nächsten Amtsperiode bin ich 65 und werde definitiv aufhören. In der Zwischenzeit hoffe ich, die Weichen so stellen zu können, dass mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin in einem 80-Prozent-Pensum angestellt werden kann und keiner anderen Tätigkeit nachgehen muss.

Sie führen nebenbei noch eine eigene Firma, da ist die Belastung bestimmt extrem hoch?

Genau. Auch viele meiner Vorgänger waren Geschäftsführer oder selbständig Erwerbende. Aktuell ist es leider kaum möglich, als normaler Angestellter Gemeindeammann von Rothrist zu werden, weil daneben nur ein kleines Pensum möglich ist. Der Wegfall der Schulpflege erlaubt es uns, ein attraktives Paket zu schnüren, damit ein zukünftiger Gemeindeammann nur dieses Amt ausführen muss, und nicht noch eine weitere Tätigkeit daneben braucht.

Zuerst müssen aber die Leute bereit sein, ein Amt auszuüben. Bei den Wahlen vor zwei Monaten kandidierten nur die fünf bisherigen Mitglieder.

Das ist leider so. Es war für uns sogar enttäuschend, dass sich niemand anders zur Wahl gestellt hat. Für mich müsste beispielsweise die SVP zwingend im Gemeinderat vertreten sein. Es ist aber leider die Fortsetzung des Trends, dass die Leute immer weniger bereit sind, etwas für das Allgemeinwohl machen zu wollen.

Um den nächsten Ammann gleich abzuschrecken: Was ist das Schwierigste daran, in Rothrist Ammann zu sein?

Schwierig ist eigentlich nichts. Es ist aber ein sehr zeitaufwändiges Amt mit sehr vielen Aufgaben, die in der Öffentlichkeit nicht gesehen werden. Mit der Möglichkeit, «nur» als Ammann zu arbeiten, wollen wir dem etwas entgegengehen. Wenn ich etwas Mühsames angeben soll, dann wären das wohl die Eigeninteressen, die einige Bürger verfolgen, die ­befriedigt werden müssen. Niemand will mehr etwas für das Gemeinwohl machen. Das war auch bei der Abstimmung um die Wiggertalstrasse ein Grund.

Wie meinen Sie das?

Ich hatte den Eindruck, dass die Denkweise bei manchen ist: Wenn es mir nichts bringt, bin ich dagegen. Niemand will etwas aufgeben, damit das Dorf profitieren kann. Sonst ist die Arbeit im Gemeinderat aber sehr spannend, die Leute sind gäbig, man kann mit ihnen diskutieren. Ich kann es allen empfehlen, in den Gemeinderat zu kommen (lacht).

Was für Projekte stehen demnächst an?

Aktuell ist ein Projekt am Laufen, wo die Neugestaltung eines Teils des Bahnhofsplatzes ausgeschrieben ist. Dort soll ein moderner Busbahnhof entstehen. Wie genau, dass das aussehen wird, wissen wir noch nicht. Allerdings soll es mehr Platz für Busse geben. Und da der neue Busbahnhof mehr Platz braucht, wird es wohl auch ein Hochhaus geben. Ansonsten sind die grossen Renovationen der Schulhäuser fast durch, lediglich das Dörfli 1 soll noch saniert werden. Zukünftig werden die anstehenden Arbeiten aber nicht mehr in Grossprojekten gesammelt, sondern laufend ausgeführt.

Wird mit dem neuen Busbahnhof auch das Angebot der Buslinien erweitert?

Ja, allerdings hat das nichts mit dem Busbahnhof zu tun, sondern läuft unabhängig davon. Gerade in Kombination mit der Wiggertalstrasse ist ein direkter Bus zum Bahnhof Aarburg/Oftringen geplant. Denn Rothrist leidet aktuell etwas unter den schlechten Anbindungen nach Zürich, die mit hohen Umsteigezeiten in Olten einhergehen. Zudem träumen wir auch von mehr Zügen, die in Rothrist halten. In Rothrist soll einmal der Regioexpress halten.

Also, dass der Regioexpress zwischen Langenthal und Olten auch in Rothrist hält?

Genau. Allerdings wird das wohl erst 2035 möglich sein. Bis dahin hat Rothrist aber sicher 10000 Einwohner und ein solcher Anschluss würde der gesamten Region viel bringen.

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