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Tonga: Beeinflusst der Vulkanausbruch das Schweizer Wetter?

Die Aschewolke ist riesig, die der Unterwasservulkan Hunga Tonga-Hunga Ha’apai in den Himmel geschossen hat. Seit Jahrzehnten hat es keinen derartig gewaltigen Vulkanausbruch mehr gegeben. Es sei 500 Mal so stark wie die Atombombe von Hiroshima. Der Inselstaat Tonga ist nach dem Ausbruch und dem nachfolgenden Tsunami von der Aussenwelt abgeschnitten. Gemäss dem Roten Kreuz haben die Vulkanasche und Salzwasser-Flutwellen das Trinkwasser verunreinigt.

Doch eine Vulkaneruption hat nicht nur Auswirkungen auf ein lokal begrenztes Gebiet, sondern beeinflusst Wetter und Klima global. Auswürfe aus starken Eruptionen werden bis in die obere Atmosphäre, die Stratosphäre, transportiert. Historisch belegt ist ein Ausbruch mit globaler Wirkung im Jahr 1815.

Ein Vulkanausbruch führte zu einem «Jahr ohne Sommer» und Hungersnöten

Der Ausbruch des Tambora auf der Südhalbkugel führte 1816 zum «Jahr ohne Sommer» auf der Nordhalbkugel. Bis vor einigen Jahrzehnten glaubte man, dass Lava- und Aschenpartikel Einfluss auf die Sonneneinstrahlung nehmen. In den 1980er-Jahren stellten die Wissenschafter aber fest, dass grosse Vulkanausbrüche das Klima beeinflussen, indem sie Schwefeldioxidgas in die Stratosphäre einspeisen, das mit Wasser reagiert und dadurch Wolken aus Schwefelsäuretröpfchen bildet. Diese Wolken reflektieren Sonnenlicht zurück ins All und verhindern so, dass dessen Energie die Erdoberfläche erreicht, die dann zusammen mit der unteren Atmosphäre abkühlt.

Heftigkeit der Eruption und Lage sind entscheidend

«Welche meteorologischen Auswirkungen der Vulkanausbruch hat, wird sich weisen, wenn die ersten Datenauswertungen zur Verfügung stehen. Das wird sicher eine gewisse Zeit dauern», sagt Stephan Bader von der Abteilung Klima von Meteo Schweiz. «Bei der langanhaltenden und weltweiten Wetter- und Klima-Beeinflussung eines Vulkanausbruchs ist vor allem die Heftigkeit der Eruption und die Lage des Vulkans massgeblich.» Es spielt somit ein Rolle, ob vulkanische Schwefelsäure in die Stratosphäre gelangt. Liegt der Vulkan dann noch im Äquatorgebiet, ist die Verteilung über die Erde begünstigt. «Dies ist so, weil die äquatoriale Zirkulation der Atmosphäre die Schwefelsäure auf die Nord- und Südhemisphäre trägt», sagt Bader.

Auf das Schweizer Wetter sei aktuell noch kein Einfluss zu erwarten, sagt Meteorologin Melanie Flubacher von Meteo Schweiz. «Dazu müsste die Aschewolke in die Westwindzirkulation eingebunden werden. Da sich die Eruption am anderen Ende der Welt auf der Südhalbkugel ereignete, ist dies nicht möglich», erklärt Flubacher.

Minimaler Einfluss wäre möglich

Das Wetter wurde bis jetzt nicht beeinflusst, aber die Druckwellen, die der Vulkanausbruch auslöste, konnten im Messnetz der Meteo Schweiz nachgewiesen werden. Zu sehen ist das am Verlauf des Luftdrucks. «Deshalb wäre allenfalls ein minimer Einfluss in den kommen Monaten denkbar, da die Eruption bis in die Stratosphäre reichte», sagt Flubacher.

Den kühlenden Effekt durch Vulkanausbrüche haben Forscher der Universität Zürich und der Universität Bremen untersucht und einer Studie im Juni 2021 publiziert. Ausgangspunkt war der indonesische Vulkan Agong, der 1963 ausbrach und dessen Eruption bis 26 Kilometer in die Stratosphäre reichte. Dieser gewaltige Ausbruch liess die Gletscher weltweit wachsen, obwohl sie bereits zu dieser Zeit auf dem Rückzug waren. Die Forscher um den Glaziologen Michael Zemp berechneten den Einfluss der Vulkanausbrüche zwischen 1961 und 2005.

Wieviele Ausbrüche bräuchte es für eine Bremsung der Erderwärmung?

Dabei stellten die Zürcher und Bremer Forscher fest, dass der relative Einfluss von Vulkanausbrüchen aufgrund der seit Mitte des 20. Jahrhunderts stark ansteigenden Treibhausgaskonzentrationen abgenommen hat. «Der globale Massenverlust der Gletscher wurde hauptsächlich durch den Anstieg der anthropogenen Treibhausgase verursacht, unterbrochen von einem nur wenige Jahre andauernden Wiederanstieg der Masse nach grossen Vulkanausbrüchen», schreiben die Wissenschafter in ihrer Studie in den «Geophysical Research Letters».

Im «Tages-Anzeiger» hat Zemp im vergangenen Juli festgehalten, dass es für eine ausgeglichene Gletscherbilanz künftig zwei bis drei Ausbrüche mit Pinatubo-Effekt bräuchte, und das pro Jahr. Die letzte Eruption des Pinatubo auf den Philippinen ereignete sich am 15. Juni 1991 nach einer rund 550-jährigen Ruhezeit und war eine der gewaltigsten Ausbrüche des 20. Jahrhunderts.

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