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Selbst die Biobauern fordern einen Aufschub der neuen Biodiversitäts-Vorgabe: Was steckt dahinter?

Ab kommendem Jahr sollen Bäuerinnen und Bauern mindestens 3,5 Prozent ihrer Äcker als Öko-Flächen nutzen. Doch die Branche fordert einen Aufschub. Der Antrag dazu kam ausgerechnet von Bio Suisse.

Bauern und Bäuerinnen sollen auf ihren Äckern mehr Ökoflächen anlegen. Ab kommendem Jahr müssen mindestens 3,5 Prozent sogenannte Biodiversitätsförderflächen sein, beispielsweise Buntbrachen oder Nützlingsstreifen. So will es der Bundesrat. Wegen des Ukraine-Kriegs hat er die Einführung bereits um ein Jahr verschoben.

Nun verlangt die Branche erneut einen Aufschub. Überbringer der Forderung ist der Schweizer Bauernverband im Rahmen einer Vernehmlassungsantwort. Doch sie stammt nicht aus seiner Feder: Den Antrag, eine Verschiebung um ein Jahr zu verlangen, brachte Bio Suisse in der Landwirtschaftskammer ein, dem Parlament des Bauernverbands. Das erstaunt. Denn anders als der Bauernverband hatte Bio Suisse die Einführung der 3,5-Prozent-Vorgabe unterstützt.

Eine Kehrtwende? Nein, sagt Bio Suisse

Der «Schweizer Bauer» schrieb deswegen von einer «Kehrtwende». Das weist Bio-Suisse-Sprecher David Hermann zurück. Der Antrag betreffe nur die um ein Jahr verzögerte Einführung der 3,5-Prozent-Anforderung, betont er. «Wir finden die 3,5-Prozent-Vorgabe sehr wichtig, um die Biodiversität zu stärken», sagt er. «Aber die Regeln müssen so ausgestaltet sein, dass es nicht Bauern bestraft, die bereits viel für die Biodiversität leisten.»

Bio Suisse fordert Anpassungen bei den Vorgaben, was alles zur Biodiversitätsförderfläche gerechnet wird. Derzeit ist vorgesehen, dass beispielsweise Hecken nicht dazuzählen. Klar ist für Bio Suisse: Die vom Bundesrat bereits beschlossenen Fördermassnahmen sollen wie geplant schon 2024 eingeführt werden. Weitere auf 2025, damit die Bauern einen Anreiz haben, mehr für die Biodiversität zu machen.

In anderen Worten: Finanzielle Anreize sind erwünscht, die Pflicht soll aber um ein Jahr verschoben werden. Und der Bund soll bei den Kriterien, was anrechenbar ist, über die Bücher. Bio Suisse befürchtet, dass mit den aktuellen Vorgaben wertvolle Ausgleichsflächen verloren gehen könnten. Bio-Produzenten könnten aus der Not heraus etwa wertvolle Magerwiesen umpflügen, damit sie auf ihren Ackerflächen die Vorgaben einhalten können.

«Vorschläge sind nicht praktikabel»

Das sieht längst nicht nur Bio Suisse so. Im Parlament des Bauernverbands stiess die Organisation auf offene Ohren. Der Antrag von Bio Suisse sei auf geschlossene Zustimmung gestossen, sagt Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands. «Die Vorschläge, welche Elemente anrechenbar sind für die 3,5-Prozent-Vorgabe, sind nicht praktikabel.» Viele bestehende Ökoelemente zählten nicht. «Es braucht noch Anpassungen – und daher auch mehr Zeit, damit sich die Betriebe die Umstellung vorbereiten können.»

Auch die Kleinbauern-Vereinigung erklärt, die beabsichtigte Regelung sorge derzeit für viel Verwirrung und Unsicherheit. Gerade kleinere Betriebe, die bereits sehr viel für die Biodiversität machten, seien verunsichert, sagt Co-Geschäftsleiterin Barbara Küttel. Ihr Spielraum für weitere Massnahmen sei eingeschränkt. Eine Einführung erst 2025 sei aufgrund dieser Unsicherheiten deshalb «vertretbar». Entscheiden wird der Bundesrat.

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