Sie sind hier: Home > Landwirtschaft > Wenn der Hof die Familie wechselt, geht es oft um viel Geld: Was das mit der sinkenden Zahl der Bauernhöfe zu tun hat

Wenn der Hof die Familie wechselt, geht es oft um viel Geld: Was das mit der sinkenden Zahl der Bauernhöfe zu tun hat

In den letzten 20 Jahren wurden rund 20'000 Landwirtschaftsbetriebe aufgelöst. Gibt es keine Nachfolger in der Familie, ist es mit dem Bauern oft vorbei. Dabei gibt es viele Personen, die ausserfamiliär einen eigenen Hof suchen. Sie haben dabei allerdings so manche Hürde zu überwinden, wie ein Beispiel aus dem Kanton Luzern zeigt.

Weriand Koch und seine Partnerin Anja Pyttlik bewirtschaften die Reukliweid, einen kleinen Bauernhof im Entlebuch, fernab des Trubels. Sie leben gemeinsam mit ihren drei Kindern seit eineinhalb Jahren auf dem Hof und produzieren Lebensmittel nach Demeter-Standard. Im Direktverkauf beliefern sie Kunden vor allem mit Obst, Milch und Fleisch. Das Gemüse, die Milch und die Hühnereier dienen in erster Linie der Selbstversorgung.

Dass sie sich mit dem eigenen Hof ihren Traum verwirklichen konnten, ist alles andere als selbstverständlich: Denn weder Koch noch Pyttlik stammen aus einer Bauernfamilie, weder sie noch er hatten die Möglichkeit, einen Hof von ihren Eltern oder Verwandten zu übernehmen. Dennoch war für die beiden nach jahrelanger Tätigkeit als landwirtschaftliche Angestellte auf dem Biohof eines Bekannten klar, dass sie sich einen eigenen Hof kaufen oder pachten möchten.

Hofsuche gestaltet sich aufwändig

Mit der Finanzierung begann für die Familie eine «Berg- und Talfahrt», wie es Koch heute beschreibt. Die beiden reichten bei diversen Vermittlungsstellen ihr Dossier ein, nahmen Kontakt auf mit der Kleinbauernvereinigung und schauten sich immer wieder Höfe an. Als sie im Frühjahr 2020 zum ersten Mal die Reukliweid ob Wolhusen besuchten, brauchten sie nicht mehr lange zu überlegen: «Der Hof entsprach genau dem, was wir gesucht haben», so Pyttlik. Auch für die damaligen Besitzer, Peter Brem und Edith Gassmann, war rasch klar, «dass sie die richtigen sind», wie Brem heute sagt: «Wir haben gespürt, dass die junge Familie den Hof in unserem Sinne weiterführen wird. Das war uns sehr wichtig.»

Doch bevor der Hof die Besitzer wechseln konnte, mussten die finanziellen Fragen geklärt werden – bei externen Hofübergaben kein einfaches Unterfangen, weil sich der Verkaufspreis im Gegensatz zu Übergaben innerhalb der Familie nicht am Ertragswert, sondern am Verkehrswert orientiert. Dieser liegt je nach Region bis zu fünf Mal höher als der Ertragswert. «Wir wussten lange nicht, ob wir die Finanzierung schaffen», sagt Weriand Koch. Denn: Weil Koch und Pyttlik zum Zeitpunkt des Kaufs bereits über 35 Jahre alt waren und der Hof weniger als eine Standardsarbeitskraft zu beschäftigen vermag, verfiel ihr Anspruch auf ein zinsloses Darlehen des Bundes, die sogenannte Starthilfe für Hofübernehmende.

Es mussten andere Lösungen her. Koch und seine Partnerin rechneten, kontaktierten Banken und ersuchten Bekannte um Privatkredite. «Wir kamen immer mal wieder ins Strudeln, glaubten manchmal nicht mehr daran, dass wir es schaffen», so Koch. Doch die Ausdauer der beiden zahlte sich aus: Dank Darlehen der freien Gemeinschaftsbank, dem Entgegenkommen seitens der Verkäufer und der Erhöhung der Belehnungsgrenze gelang die Finanzierung.

Zahl der Betriebe sinkt stetig

Zwar ist die Hofübergabe im Entlebuch kein Einzelfall. Doch noch immer bleiben viele Höfe hierzulande in der Familie. Sind die Nachkommen nicht daran interessiert, den Hof weiterzuführen, wird er oft aufgegeben oder an einen Landwirt in der Umgebung verkauft respektive verpachtet. Das hat Folgen: Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sinkt Jahr für Jahr. Gab es vor 20 Jahren noch gegen 70’000 Betriebe, sind es aktuell nicht einmal mehr 50’000.

Diesen Strukturwandel will Mitte-Ständerat Charles Juillard nicht einfach so hinnehmen. Der Jurassier hält in einem Vorstoss fest, dass «die externe Hofübergabe mit beachtlichen Hürden verbunden ist, insbesondere finanzieller Natur». Junge Landwirtinnen und Landwirte würden oft nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, um ausserhalb der Familie einen Betrieb zu erwerben, so Juillard. Deshalb will der Mitte-Politiker in seinem Vorstoss vom Bundesrat wissen, welche Finanzierungsmöglichkeiten er bei ausserfamiliären Hofübergaben in Betracht zieht und welche Massnahmen er vorschlägt, um einen «stark beschleunigten Strukturwandel» zu vermeiden.

Bundesrat will Investitionskredite

Die Regierung hält in ihrer Antwort fest, dass sich der Strukturwandel in den vergangenen Jahren verlangsamt habe. Zudem verweist sie auf die rechtlichen Grundlagen beim Verkauf von landwirtschaftlichen Grundstücken: In der Bundesverfassung steht geschrieben, dass ein Verkauf ausserhalb der Familie zum Verkehrswert erfolgt. Doch der Bundesrat sieht ebenfalls Handlungsbedarf, wie er in seiner Stellungnahmen zu Juillards Vorstoss schreibt: «Da in der Schweiz der Marktwert eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder Grundstücks dessen Ertragswert um ein Vielfaches übersteigt, schlägt der Bundesrat im Rahmen der AP 22+ vor, den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken mit Investitionskrediten zu unterstützen.»

Heisst konkret: Künftig sollen externe Hofübergaben finanziell attraktiver werden. Zusätzlich zur bereits erwähnten Starthilfe «sollen Landwirtinnen und Landwirt neben den minimal nötigen Eigenmitteln und einer üblichen Bankfinanzierung genügend zusätzliche Mittel für den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken zur Verfügung stehen», so der Bundesrat. Weil die AP22+ im Frühjahr 2021 sistiert wurde und die Regierung erst in der vergangenen Woche ihren Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik verabschiedet hat, wird das Parlament die Beratung der AP22+ frühestens im kommenden Jahr weiterführen.

Nicht ständig an die Schulden denken

Dass es trotz Geldern vom Bund zum eigenen Hof gereicht hat, erfüllt Koch und Pyttlik mit Freude: «Wir sind sehr dankbar dafür, an diesem Ort Lebensform und Arbeit verbinden zu können.»

Mittlerweile hätten sie auch gelernt, die finanziellen Aspekte etwas in den Hintergrund zu rücken. «Es bringt uns nicht weiter, wenn wir immer nur an die vielen Schulden denken, die wir haben», sagt Pyttlik.

Auch Peter Brem und Edith Gassmann kommen mit der neuen Situation mittlerweile gut zurecht. Kurz nach der Übergabe sei es aber schwierig gewesen, sagt Brem, «ich konnte nicht richtig loslassen und habe Zeit gebraucht, mich von dem zu trennen, was wir in fast 30 Jahren aufgebaut haben». Es dürfte so manchem Landwirt ergehen wie ihm.

Schreiben Sie einen Kommentar