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«Ein Pferd für alle Fälle»: Tierarzt erklärt, worauf es beim grossen Aargauer Treck in den Jura ankommt

Der Aargau ist Gastkanton am Marché-Concours, dem grössten Pferdefest der Schweiz. Die Aargauer Delegation reist mit 30 Pferden, Wagen und 35 Reiterinnen und Reitern in den Jura – und die AZ begleitet den Pferdetreck die ganze Woche. 

Mit Pferd und Kutsche von Aarau nach Saignelégier – was heute speziell anmutet, war vor 100 Jahren ganz normal. «Damals war es die einzige Möglichkeit, die Strecke in vernünftiger Zeit zurückzulegen», sagt Hansjakob Leuenberger, der die Idee für diese abenteuerliche Reise hatte.

Leuenberger ist Tierarzt, genau wie sein Vater, und beide verloren ihr Herz an die Pferde. Von Kindsbeinen an hatte Leuenberger Kontakt mit den Tieren, verbrachte Schulferien in der eidgenössischen Militärpferdeanstalt in Bern, wo sein Vater arbeitete. Später führte ihn sein Beruf nach Avenches, wo südwestlich des Murtensees das «Schweizer Nationalgestüt» angesiedelt ist, ein Kompetenzzentrum des Bundes für die Haltung und Zucht von Pferden.

Danach arbeitete er im Berner Tierspital, und nach «Lehr- und Wanderjahren», wie Leuenberger erzählt, hat es ihn nach Staffelbach gezogen. Hier leitet er heute die Tierklinik 24. Obwohl er im Oktober 66 Jahre alt wird, ist für ihn die Pensionierung noch nicht in Sichtweite, wie er selber sagt. «Mein Vater ist in Ausübung seines Berufs gestorben – wer weiss, vielleicht geht es mir ja mal gleich.»

«Wir möchten zeigen, was die Freiberger können»

Die Arbeit wird Leuenberger sicherlich nicht ausgehen. Tierärzte, die Pferde behandeln, gibt es nicht mehr viele. «Man muss sich in diesen Beruf hineinleben. Es braucht eine spezielle Beziehung zu den Pferden, diesen Umgang lernt man nicht an der Uni.»

Der Tierarzt ist aber auch Präsident der Pferdezuchtgenossenschaft Aargau. Warum dieser Pferdetreck von Aarau bis Saignelégier? «Wir möchten nicht nur darüber reden, was die Freiberger alles können, wir möchten es zeigen», sagt Leuenberger.

Das Problem sind die Druckstellen

Rund 50 Kilometer legen wir pro Tag zurück. Die Kutsche, gezogen von zwei Pferden, wiegt mit Insassen um die 600 Kilogramm. Ist das nicht eine Belastung für die Tiere? «Nein, das ist eine normale Leistung für ein trainiertes Pferd, insbesondere weil wir nicht besonders schnell unterwegs sind», erklärt Leuenberger.

«Der Dauereinsatz ist nicht das Problem, sondern die Anpassung an das Geschirr und die Sättel», sagt er. Kummet-Druck – vom Geschirr – und Sattel-Druck nennen sich die Verletzungen, die daraus resultieren können. Um das zu verhindern, werden die Pferde bereits Monate im voraus vor die Kutsche gespannt und so ans Geschirr gewöhnt. Wie Rekruten, die ihre Militärstiefel einlaufen.

Auf dem Treck hat der Tierarzt jeden Abend Sprechstunde. Kutscher und Reiter können zu ihm kommen, sollte sich ein Tier auffällig verhalten. Ein Erste-Hilfe-Set ist ebenso mit dabei wie eine Pferdeambulanz, also ein Wagen, auf dem ein Tier transportiert werden könnte, das nicht mehr laufen kann.

Das Pferd als Spiegel der Seele

Aber was ist der Freiberger eigentlich für ein Pferd? «Die Tiere haben einen gutmütigen Charakter. Leistungsbereitschaft, eine ruhige Art und viel Zugkraft zeichnen sie aus», sagt Leuenberger. «Ein Pferd für alle Fälle.»

Es sind aber nicht nur die Menschen, die die Pferde charakterisieren und einschätzen, umgekehrt läuft es nicht anders. Ein neugieriges Beschnuppern, ein kurzer, intensiver Moment, in dem das Tier seinen taxierenden Blick schweifen lässt. «Sie sind exzellente Menschenkenner. Sie lesen deine Körpersprache, wissen, wie du gerade drauf bist, sie sind eine Art Spiegel», erklärt der Tierarzt. «Wer vor einem Freiberger steht und etwas vor sich hin murmelt, dem wird das Tier nicht gehorchen.»

Das Zusammenleben mit den Pferden, Übernachtungen im Stall, die Verbundenheit zwischen Mensch und Tier. «Das ist auch für die Reiter eine schöne Erfahrung, wenn sie 24 Stunden mit ihren Tieren verbringen können», sagt Tierarzt Leuenberger. Heute gehts die Reise in den Jura los. Der AZ-Reporter ist die ganze Woche dabei und berichtet.

Marché-Concours

Wann geht es los?

Der Pferdetreck startet am Montag, 8. August, auf den rund 200 Kilometer langen Weg nach Saignelégier. Die Aargauer Zeitung ist live mit dabei und berichtet in einem News-Blog über die Reise. Die Ankunft ist am Freitag, der Marché-Concours das ganze kommende Wochenende (12.–14. August)

Wo gibt es Tickets?

Aargauerinnen und Aargauer können vergünstigte Tagestickets erwerben (5 statt 15 Franken). Zudem gibt es verschiedene Car-Angebote. Informationen unter https://aargautourismus.ch/erleben/marche-concours.

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