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Martina Bircher im zt Talk: «Die Gemeinden sind nicht bereit, einen Asylverbund zu bilden»

Die Aarburger Vizepräsidentin und SVP-Nationalrätin spricht im zt Talk über gelungene Integration und scheiternde Zusammenarbeit im Bezirk Zofingen – und das Klischee der «bösen Bircher».

Für viele ist die SVP-Nationalrätin Martina Bircher eine Reizfigur. Eine herzlose Hardlinerin sei die 38-Jährige, heisst es immer wieder. Fakt ist auch: Kaum jemand auf dem nationalen Polit-Parkett kennt sich in der Praxis so gut aus wie Bircher. Sie ist Vizepräsidentin des Aarburger Stadtrats und dort seit zehn Jahren für das Sozial- und Asyl-Dossier zuständig. Und sie präsidiert die Arbeitsgruppe Asyl- und Flüchtlingswesen des Regionalverbandes Zofingenregio. Die Zusammenarbeit in der Region Zofingen funktioniere im Asylbereich leider noch nicht richtig, kritisiert sie im zt Talk, der diese Woche im Bundeshaus stattfand.

«Beim Thema Integration sind wir im Bezirk Zofingen sehr weit», sagt sie. Wir haben schon vor ein paar Jahren die Fachstelle Integration geschaffen. Das kommt uns jetzt zugute – auch im Vergleich zu anderen Bezirken im Kanton. Wir haben eine Vorreiterrolle übernommen – auch, wie die Integration von der Fachstelle gelebt wird. Sehr praxisbezogen: Nicht seitenlange Konzepte schreiben, sondern einfach mal machen.»

Allerdings funktioniere die Zusammenarbeit der Gemeinden im Bezirk bei der Aufnahme von Flüchtlingen «leider nicht», so Bircher. «Die Gemeinden sind nicht bereit, einen Asylverbund zu bilden.» Aarburg beispielsweise müsste laut Vorgaben rund 50 Flüchtlinge aufnehmen, in Wirklichkeit sind es rund 150. «Wir könnten Gemeinden, die zu wenig aufgenommen haben, helfen. Sie könnten von unserem Kontingent profitieren, müssten uns aber eine moderate Ausgleichszahlung leisten. Das ist uns leider nur mit der Gemeinde Oftringen gelungen, mit allen anderen Gemeinden nicht.»

Und warum funktioniert diese Zusammenarbeit nicht? «Da müssen sie jene fragen, die das nicht wollen.» Möglicherweise werde unterschätzt, was es bedeute, Flüchtlinge aufzunehmen. «Sie sind von A bis Z für diese Menschen verantwortlich.» Mit einem Dach über dem Kopf sei die Sache nicht erledigt. Ausserdem sei die Zusammenarbeit im Bezirk Zofingen manchmal generell schwierig. «Bei einem Gemeindeverbund Asyl würde es nur Gewinner geben». Andere Bezirke seien punkto Zusammenarbeit wesentlich weiter: «In Baden zum Beispiel läuft es viel besser. Es gibt Verbünde von sieben oder acht Gemeinden, die das miteinander stemmen.» Der Verteilschlüssel sei dazu da, die Lasten zu verteilen. «Wenn man das als Gemeinderat nicht versteht, wird es schwierig», sagt Bircher.

Laut Vorgaben des Kantons müsste der Bezirk Zofingen 736 Personen (vorläufig Aufgenommene und mit Schutzstatus S) aufnehmen. «Wir haben übererfüllt, zurzeit sind es 865.» In dieser Zahl nicht eingeschlossen sind die anerkannten Flüchtlinge, beispielsweise aus Eritrea. In Aarburg beispielsweise leben 150 vorläufig Aufgenommene oder mit Schutzstatus sowie rund 200 Menschen aus Eritrea.

Die Asylpolitik sei europaweit gescheitert, so Bircher weiter. «Das Dubliner Übereinkommen funktioniere nicht mehr. «Würde es funktionieren, hätte die Schweiz kein einziges Asylgesuch, wir sind von sicheren Drittstaaten umgeben. Trotzdem sind wir Spitzenreiter.» Im Vordergrund stehe der Sozialstaat. «Die Leute suchen sich aus, wo sie hingehen. Sie gehen dorthin, wo sie die besten Zukunftsaussichten haben.» Der Bund habe in den letzten zehn Jahren 112 vorläufig Aufgenommenen diesen Status entzogen und sie nach Hause geschickt. Deshalb fordert sie, dass die Asylzentren sich nicht mehr auf Schweizer Boden befinden – eine Variante wäre, sie an der EU-Aussengrenze zu errichten – in Österreich werde dies inzwischen schon von SPÖ-Politikern gefordert. «Die SVP hat entsprechende Vorstösse eingereicht. Sie werden jetzt alle noch belächelt. Aber ich bin überzeugt: Diese Diskussion wird in ganz Europa stattfinden. Und immer mehr Länder werden Hand für eine solche Lösung bieten.»

Was sagt sie zur Kritik, sie sei eine herzlose Hardlinerin? «Ich kann es mittlerweile nicht mehr hören. Ich bin sachlich. Mir geht es nicht um die Menschen, mir geht es um das System.» Sie setze sich für geltendes Recht ein – beispielsweise für die Umsetzung des Dubliner Übereinkommens. «Als Dank werde ich in die böse und herzlose Ecke gestellt. Wenn man sich für den Rechtsstaat stark macht, wird man angefeindet. Das ist auch eine Strategie der linken Seite, um einen mundtot zu machen, weil man über die Probleme gar nicht diskutieren will.» Dass möglichst offene Grenzen zu «Friede, Freude, Eierkuchen» führen, sei eine Illusion. «Die Realität sieht halt einfach anders aus. Cédric Wermuth hatte den Mut, mich einmal in Aarburg zu besuchen. Ich lade alle – ich sage einmal Träumer – ein, mich ebenfalls zu besuchen und mit mir zu diskutieren.»

Martina Bircher im Gespräch mit ZT-Chefredaktor Philippe Pfister am 14. März im Bundeshaus.
Bild: zt

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