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Gewerkschaften und Verband kritisieren «Zögern» der Politik – über 200 Pflegende haben in Aarau und Solothurn demonstriert

Am internationalen Tag der Pflege nehmen Pflegende und Gewerkschaften die Kantone und den Bund ins Visier. In verschiedenen Städten demonstrieren sie für eine raschere Umsetzung der Pflegeinitiative. Über 200 Pflegende haben in Aarau und Solothurn an der Demonstration teilgenommen.

Es war ein historisches Resultat: Knapp 61 Prozent der Stimmbürgerinnen und -bürger sagte im November Ja zur Pflegeinitiative, welche eine bessere Anerkennung und Förderung der Pflege einfordert. Die Schweiz nahm damit erstmals eine gewerkschaftliche Initiative an. Bereits im Januar präsentierte der Bundesrat dann seine Pläne, wie er das Volksbegehren umsetzen will. Dabei strebt er eine Umsetzung in zwei Etappen an.

Zeigte sich der Berufsverband für Pflegende (SBK) zunächst noch erfreut über das «rasche Vorgehen» des Bundesrates, ist die positive Stimmung fünf Monate später verflogen. So kritisiert der SBK in einer Mitteilung vom Donnerstag das «unverantwortliche Zögern» der Kantone bei der Umsetzung der Initiative. «Es braucht jetzt sofort Massnahmen, um das Personal zu halten. Die Kantone sind in der Pflicht, ihre Hausaufgaben zu machen», heisst es.

Der SBK hat mit den Gewerkschaften Syna und VPOD zum internationalen Tag der Pflege am Donnerstagnachmittag zu einem sogenannten «Walk of Care» in Bern, Basel, Aarau und Solothurn aufgerufen. «Die Haltung, auf die Entscheide des Bundes zu warten, ist gefährlich», zitiert die Mitteilung Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des SBK.

Auf der Strasse äussern die Pflegenden nun ihren Missmut über die kantonale Politik. Über 200 Pflegende hätten in Aarau und Solothurn an der Demonstration teilgenommen, schrieb der SBK Aargau-Solothurn am Donnerstagabend in einer Mitteilung.

«Die Zeit drängt»

Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen warnt insbesondere davor, dass die Personalnot in der Branche weiter wachse. Aktuell weise der Pflegebereich 13’255 offene Stellen auf, also fast 1000 mehr als Ende 2021. Laut Yvonne Ribi heisst das: «Jeden Monat hängen über 300 Pflegende mehr den Kittel erschöpft und frustriert an den Haken, obwohl sie ihren Beruf lieben.»

Einige Pflegende würden deshalb zu Personalvermittlern wechseln, wo sie ihre Einsätze selber wählen können und zudem oft auch einen besseren Lohn bekämen. Zwar räumt die SBK-Präsidentin ein, dass einige Betriebe mit gutem Beispiel vorangehen, aber das reiche nicht. «Die pflegerische Versorgung der Bevölkerung wird so aufs Spiel gesetzt», so Ribi.

Die Kritik des Pflegeverbandes teilt auch die Gewerkschaft Unia. Sie hat ebenfalls zu Kundgebungen am Donnerstagnachmittag in verschiedenen Städten aufgerufen, unter anderem in Basel, Zürich, Luzern und St. Gallen. In einer Mitteilung warnt sie ebenfalls: «Die Zeit drängt.» Indem der Bundesrat die Initiative in zwei Etappen umsetzen will, schiebe er eine Verbesserungen der Arbeitsbedingungen «auf die lange Bank».

Patientinnen und Patienten tragen die Folgen des Personalmangels

Die Gewerkschaft greift ebenfalls den drohenden Personalmangel in der Branche auf: «Während die Politik zögert, verlassen zu viele Pflegende weiter den Beruf.» Die Folgen tragen am Ende die Patienten, so die Schlussfolgerung von Unia. Nun liege der Ball beim Bundesrat und Parlament, die auf nationaler Ebene rasch Gesetze für eine «angemessene Finanzierung der Pflegeleistungen» in Kraft setzen müssten.

Die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» wurde 2017 vom Pflegeverband SBK eingereicht. Sie fordert mehr Ausbildung, bessere Arbeitsbedingungen, eine angemessene Entlöhnung und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten in den Pflegeberufen. Damit soll auf den Pflegenotstand in den Spitälern und Heimen reagiert und die Qualität verbessert werden. Zudem sollen die Pflegenden länger im Beruf bleiben.

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