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GLP und Grüne holen mit wenigen Mitgliedern viele Sitze im Grossen Rat – der Experte zweifelt, ob das Rezept aufgeht

13 Sitze haben die Grünliberalen im Kantonsparlament, 500 Mitglieder zählt die Partei – für einen Sitz braucht die GLP also gut 38 Mitglieder. Auch die Grünen sind mit einem Quotienten von 55 sehr effizient und erfolgreich. Politologe Andreas Ladner betont aber, für die Entwicklung und Verankerung sei eine gewisse Mitgliederzahl wichtig.

Die SVP ist die grösste und stärkste Partei im Aargau: Diese Aussage stimmt, wenn man die Mitgliederzahl (9069), den Wähleranteil (30,3 Prozent) oder die Sitze (43) im Grossen Rat anschaut. Auch beim Wähleranteil (31,5 Prozent) und bei den Sitzen (6) im Nationalrat liegt die SVP vor allen anderen Parteien im Aargau.

Wenn es aber um das Verhältnis zwischen Mitgliederzahl und Sitzen im Grossen Rat geht, steht die SVP im Aargau nicht an der Spitze: Die Volkspartei braucht 9069 Mitglieder, um 43 Sitze zu erreichen, das ergibt einen Quotienten von 211 Mitgliedern für einen Grossratssitz.

An der Spitze liegt in dieser Rangliste die GLP, die mit gut 500 Mitgliedern im Kanton auf 13 Grossratssitze kommt. Bei den Grünliberalen kommt damit ein Sitz auf 38 Mitglieder, bei den Grünen ist es einer auf 55, bei der EVP einer auf 83, bei der SP einer auf 104 Mitglieder.

Am schlechtesten schneiden bei diesem Vergleich die FDP (224 Mitglieder pro Sitz) und die Mitte (425 Mitglieder pro Sitz) ab. Doch lässt sich der politische Erfolg, also zum Beispiel die Sitzgewinne von Grünen und GLP, tatsächlich über die Effizienz definieren? Ist es ein gutes Zeichen für eine Partei, wenn sie mit relativ wenigen Mitgliedern einen hohen Wähleranteil und beträchtliche Sitzzahlen erreicht?

«Auf den ersten Blick wirkt diese Effizienz erfolgreich und attraktiv»

«Natürlich geht es in der Politik um Wähleranteile und Sitze, deshalb wirkt dies auf den ersten Blick attraktiv und erfolgreich», sagt Politologe Andreas Ladner auf Anfrage. Eine Partei brauche nicht nur Mitglieder, bei Wahlen und Abstimmungen gehe es darum, Menschen anzusprechen und zu überzeugen, die nicht an die Partei gebunden seien, gibt Ladner zu bedenken.

Andreas Ladner ist Professor für Schweizerische Verwaltung und institutionelle Politik an der Uni Lausanne – seine Schwerpunkte sind Kommunal- und Parteienforschung.
zvg

Der Begriff der Mitgliedschaft sei in der Schweiz zudem unterschiedlich ausgeprägt: «Es ist gerade bei grossen Parteien schwierig zu sagen, wie viele Mitglieder nur in der Kartei stehen und ihren Jahresbeitrag zahlen und wie viele sich tatsächlich aktiv engagieren und zum Beispiel bei Wahlkampfaktionen mitmachen», sagt Ladner.

Rekrutierung von Kandidatinnen und Kandidaten braucht Mitglieder

Für die längerfristige Entwicklung und die Verankerung in den Regionen sei eine gewisse Mitgliederzahl aber wichtig, betont der Parteienexperte, der an der Universität Lausanne lehrt. Ladner hält fest: «Es braucht eine Basis an Mitgliedern, um gute Kandidaturen aufstellen zu können, mit einem niedrigen Mitgliederbestand ist die Rekrutierung relativ schwierig.»

Seit den letzten kommunalen Wahlen im Herbst 2021 ist die SVP auch nicht mehr die stärkste Partei, wenn es um die Vertretung in den Gemeinderäten geht. Die Volkspartei büsste damals 23 Sitze ein, kam neu noch auf 133 Mandate und wurde von den Freisinnigen überholt.

SVP in mehr als zwei Dritteln aller Gemeinden mit Ortspartei vertreten

Um in einer Gemeinde bei kommunalen Wahlen überhaupt Kandidatinnen und Kandidaten stellen zu können, die nicht parteilos sind, braucht es aktive Ortsparteien. Davon zählt die SVP kantonsweit 142, die Volkspartei ist also in mehr als zwei Dritteln aller Aargauer Gemeinden vertreten. Am zweitmeisten Ortsparteien weisen die Freisinnigen mit 95 auf, dann folgen die Mitte (71), die SP (57), die GLP (30), die EVP (25) und die Grünen (24).

Den grössten Zuwachs an Ortsparteien gab es in den letzten beiden Jahren bei den Grünliberalen, seit 2019 wurden zehn Sektionen neu gegründet. Bei den Grünen kamen zwei neue Ortsparteien hinzu, bei der EVP ist die Zahl der kommunalen Sektionen leicht rückläufig, bei den anderen Parteien blieb deren Zahl in der Coronapandemie stabil.

In den Gemeinden schneiden Grüne und GLP schlecht ab

Auch auf lokaler Ebene lässt sich ein Vergleich anstellen – und zwar zwischen der Anzahl der Ortsparteien und der Gemeinderatssitze einer Partei. Hier schwingt die FDP obenaus: Mit ihren 95 kommunalen Sektionen kommt sie auf 137 lokale Mandate, das ergibt einen Quotienten von 1,4.

Danach folgen die Mitte mit Quotient 1,2 (86 Gemeinderatssitze, 71 Ortsparteien), die SP mit 0,96 (55 Sitze, 57 Ortsparteien) und die SVP mit 0,8 (113 Sitze, 142 Ortsparteien). Schlecht schneiden bei diesem Vergleich die Grünen mit Quotient 0,5 (12 Sitze, 24 Ortsparteien) und die GLP 0,37 (11 Sitze, 30 Ortsparteien) ab.

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