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Silvesterkrawalle in Berlin: Auch in der Schweiz nehmen Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte zu 

Aggressionen und Gewaltdelikte gegenüber Beamten sind auch hierzulande verbreitet – wenn auch in einem deutlich geringeren Ausmass als dieser Tage in Berlin. Das Problem erkannt hat auch die Politik.

Randale und Krawall, gezielte Böllerangriffe auf Polizisten und Feuerwerkattacken auf Sanitäterinnen: Szenen, wie sie sich in der Silvesternacht in Berlin abspielten, kennt die Schweiz in diesem Ausmass nicht. Doch auch hierzulande nimmt die Zahl der Gewalttaten gegenüber Sicherheits- und Rettungskräften zu.

Das Bundesamt für Statistik registrierte 2021 rund 3500 Straftaten gegen Beamte, die tätlich angegriffen oder bedroht wurden. Das sind rund 1000 Fälle mehr als noch zehn Jahre zuvor.

Oft Drogen und Alkohol im Spiel

Die steigende Zahl der Übergriffe auf Blaulichtorganisationen bereitet Johanna Bundi Ryser Sorgen. Die Präsidentin des Verbands der Schweizerischen Polizeibeamten bezeichnet die zunehmenden Angriffe auf Blaulichtorganisationen als «gesellschaftliches und politisches Problem», welches seit längerem existiere: «Die Bereitschaft zur Gewalt gegenüber Polizistinnen und Polizisten hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.» Das zeige sich beispielsweise in vermehrten Böller- und Petardenangriffen bei Fussballspielen oder Demonstrationen.

Die meisten Angriffe gegen Polizisten erfolgen laut Bundi Ryser dann, wenn die Stimmung aufgeheizt und die Personen als Mob oder in grösseren Gruppen unterwegs sind. Die Polizistin vermutet, dass die meist männlichen Angreifer eine tiefe Hemmschwelle haben. «Wenn dann noch Drogen oder Alkohol im Spiel sind, haben viele gar keine Hemmungen mehr.»

Wenn es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt, dann sei es «unabdingbar, dass die kantonalen Polizeikorps diese konsequent verzeigen», sagt Adrian Gaugler von der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten. «Wir sind überzeugt, dass das eine präventive Wirkung hat.»

Auch Gaugler sieht den gesellschaftlichen Wandel als Hauptursache für die Zunahme der Gewaltdelikte und Drohungen gegenüber Polizeibeamten. Gerade in den Städten sei die «Partykultur oft mit einem hohen Konsum von Suchtmitteln verbunden». Das sei häufig der Auslöser für Aggression gegenüber Beamten, so Gaugler.

Silvester in Berlin: Mehr als vierzig Polizistinnen und Polizisten wurden verletzt.
Julius-Christian Schreiner/DPA TNN

Schusssichere Westen für Sanitäter

Ins Visier geraten nicht nur Polizistinnen und Polizisten, sondern vereinzelt auch Rettungskräfte und Feuerwehrleute. Angriffe auf Rettungssanitäter gebe es auch in der Schweiz – aber nicht in diesem Ausmass wie in Berlin, sagt Roland Portmann, Sprecher der Vereinigung Swiss Paramedic Association, welche die Interessen der Rettungs- und Transportsanitäter vertritt. «Das ist eine ganz andere Dimension, wenn ein Mob gezielt Rettungskräfte angreift.» Ein solcher Fall sei ihm in der Schweiz nicht bekannt.

«Gewalt gegen Rettungskräfte kommt aber immer wieder vor, im täglichen Einsatz oder im Rahmen von grossen Anlässen», sagt Portmann. Beim grössten Teil handle es sich um verbale Gewalt und Drohungen, tätliche Angriffe seien weniger häufig. Bei Grossanlässen komme es auch vor, dass etwa ein Rettungswagen blockiert oder eine PET-Flasche Richtung Sanitäter geworfen werde.

Laut Portmann hat das Problem in den letzten Jahren nicht merklich zugenommen. «Gemessen an der Anzahl Einsätze sind es Einzelfälle, bei denen es zu Gewalt kommt. Wir verurteilen diese selbstverständlich aufs Schärfste.» Viele Rettungsdienste in der Schweiz hätten bereits vor Jahren Massnahmen gegen Gewalt ergriffen, sagt Portmann.

Die Palette an möglichen Massnahmen ist breit und reicht von Deeskalationstrainings über eine Anpassung der Ausrückkonzepte bis zur Ausrüstung der Sanitäter mit Pfefferspray. Für Aufsehen sorgte 2019, dass Schutz und Rettung Zürich die Rettungssanitäter und Notärztinnen mit schusssicheren Westen ausrüstete. Bei gewissen Einsatzstichworten wie «Schiesserei» oder «Messerstecherei» würden die Schutzwesten von Anfang an getragen, erklärt Mediensprecher Severin Lutz. Komme es unvorhergesehen zu heiklen Situationen, könnten die Westen ad hoc angezogen werden.

Immerhin: Einen weiteren Anstieg der Fälle hat Schutz und Rettung Zürich nicht registriert. «Bei der Anzahl Drohungen beziehungsweise Gewalt gegen Rettungskräfte konnten wir – immer im Vergleich zum Total der Einsätze – gegenüber dem Vorjahr keine wesentliche Veränderung feststellen», schreibt Lutz. Trotzdem müsse man das Thema unbedingt im Auge behalten. «Es muss ganz klar festgehalten werden: Jeder Angriff auf Rettungskräfte ist einer zu viel.»

Härtere Strafen für Gewalt gegen Beamte

Auch die Politik ist bereits aktiv geworden: Das Parlament hat vor einem Jahr die Strafen für Gewalt und Drohung gegenüber Beamten und Mitarbeitenden von Blaulichtorganisationen verschärft. Wann die Gesetzesänderung in Kraft tritt, hat der Bundesrat noch nicht entschieden.

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