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Hat der Regierungsrat keinen Asyl-Plan? Gallati kontert: «Auf einen solchen massiven Zustrom kann man sich nicht vorbereiten»

Am Dienstagmorgen musste sich Regierungsrat Jean-Pierre Gallati (SVP) im Grossen Rat harte Kritik von SP und Grünen zum Vorgehen im Fall Windisch anhören. Am Abend nahm der Sozialdirektor im «TalkTäglich» bei Tele M1 Stellung und sagte, der Aargau sei nicht der einzige Kanton mit zu wenig Flüchtlingsplätzen und Betreuungspersonal.

Neben den offiziellen Themen auf der Traktandenliste wurde am Dienstag im Grossen Rat auch der Fall Windisch diskutiert. Gleich zwei Fraktionen gaben in der ersten Sitzung des Kantonsparlaments seit dem Asylstreit eine Erklärung ab – und sparten nicht mit Kritik am zuständigen SVP-Regierungsrat Jean-Pierre Gallati.

SP-Grossrätin Luzia Capanni.
Britta Gut

SP-Grossrätin Luzia Capanni kritisierte, der Regierungsrat scheine strategie- und planlos zu reagieren. Der Kanton besitze Land in Windisch, komme aber nicht auf die Idee, dort Container aufzustellen. Die SP sei erstaunt über das Vorgehen des Kantons, sagte Capanni.

Gallati habe zwar um Entschuldigung gebeten und Fehler eingeräumt. Aber Mieterinnen und Mieter und Asylsuchende seien gegeneinander ausgespielt worden, das sei brandgefährlich, warnt Capanni. Die SP verlange Aufklärung und Antworten, wie es dazu habe kommen können.

Grüne fordern sofortige und lückenlose Aufklärung

Grünen-Grossrat Nicola Bossard
Mathias Förster

Grünen-Grossrat Nicola Bossard sagte, ein zweiter Fall Windisch dürfe nicht passieren. An die Adresse von Asyldirektor Gallati sagte Bossard, dass dieser nun in der Verantwortung stehe. «Die Grünen fordern eine sofortige und lückenlose Aufklärung», so der junge Grossrat.

Bossard kritisierte jene politischen Kräfte, die den Fall Windisch dazu nutzten, Wahlkampf zu machen. Andererseits zeigte er sich versöhnlich und sagte, trotz des gröberen Schnitzers in Windisch gelte es, den Mitarbeitenden bei Kanton und Gemeinden zu danken. Es stünden alle in der Pflicht. Kanton und Gemeinden müssten besser zusammenarbeiten.

Gallati entschuldigt sich persönlich beim Gemeinderat Windisch

Während der Grossratssitzung äusserte sich Gallati nicht zum Fall Windisch – am Abend nahm der Sozialdirektor im «TalkTäglich» bei Tele M1 aber Stellung zum Fall Windisch. Der Regierungsrat sagte, er habe mit einem der gekündigten Mieter gesprochen und sich beim Gemeinderat persönlich entschuldigt.

Auf die Frage von Moderator und AZ-Chefredaktor Rolf Cavalli, ob er die Liegenschaften in Windisch heute nochmals als Asylunterkunft wählen würde, wenn der Vertrag mit dem Vermieter noch nicht unterschrieben wäre, antwortete Gallati: «Dort sollen Kinder und Jugendliche einquartiert werden, für diese Gruppe gibt es nicht 20 mögliche Unterkünfte, sondern nur sehr wenige.» Deshalb würde der Kantonale Sozialdienst zwar anders vorgehen, aber am Standort Windisch festhalten.

Hunziker kritisiert Vorbereitung, Hochreuter will mehr Ausschaffungen

SP-Grossrätin Lelia Hunziker.
Henry Muchenberger

SP-Grossrätin Lelia Hunziker sagte, die Entschuldigung von Gallati sei richtig und löblich. Sie wolle aber wissen, was genau passiert sei in Windisch und welche Lehren daraus gezogen würden.

Hunziker kritisierte, die Regierung habe keine nachhaltige Strategie, um Geflüchtete im Aargau unterzubringen. Es fehle an Ressourcen, der Kanton habe sich nicht ausreichend vorbereitet, alles passiere «just in time», das führe zu Chaos.

SVP-Grossrat Clemens Hochreuter.
zvg

SVP-Grossrat Clemens Hochreuter will die Vorgänge in Windisch ebenfalls detailliert geklärt haben. Zudem forderte er eine konsequentere Ausschaffung von abgewiesenen Asylsuchenden durch das Aargauer Migrationsamt. Das Amt sei zu passiv, zu viele Menschen, die nicht mehr hier sein dürften, belegten Flüchtlingsplätze im Aargau, kritisierte er.

Zahlen doppelt so hoch wie in den Jahren 2015 und 2016 zusammen

«Auch wenn man alle diese Personen ausweisen könnte, wäre unser Problem nur teilweise gelöst», entgegnete Gallati. Es gebe europaweit einen Mangel an Wohnungen und Betreuungspersonal, ähnlich wie bei Corona mit fehlenden Spitalbetten und zu wenig Impfstoff – oder im Energiebereich mit der Mangellage.

Gallati hielt weiter fest, niemand habe einen Zustrom voraussehen können, wie er mit dem Ukrainekrieg entstanden sei. Die Zahlen seien doppelt so hoch wie in den Flüchtlingskrise-Jahren 2015 und 2016 zusammen. «Auf eine so enorme Wanderung kann man sich nicht vorbereiten, das ist schlicht nicht möglich», sagte Gallati.

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