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«Grösste Katastrophe seit 1918»: So schlimm ist die Corona-Pandemie wirklich

Im zwanzigsten Jahrhundert gab es in der Schweiz eine einzige Epidemie, die schlimmer wütete als das Coronavirus im Jahr 2020: die Spanische Grippe. Das zeigt eine neue Studie. In Spanien hat Corona vermutlich mehr Opfer gefordert, als es die offiziellen Zahlen zeigen.

Es ist nicht die erste Pandemie und nicht die letzte. Doch wie schlimm ist die aktuelle eigentlich im Vergleich zu früheren? Ein Forschungsteam der Universitäten Bern und Zürich hat die Übersterblichkeit im Vergleich zu vergangenen Pandemien untersucht. Und das Fazit der am Montag erschienenen Studie ist deutlich: Seit hundert Jahren hat keine andere Infektionswelle so hart zugeschlagen, in der Schweiz sticht besonders der Herbst 2020 hervor. Kaspar Staub vom Institut für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich sagt:

«Es ist die wohl grösste demografische Katastrophe der Schweiz seit 1918.»

Das Team hat für jeden Monat seit über hundert Jahren berechnet, wie viele Todesfälle zu erwarten gewesen wären und wie viel mehr oder wie viel weniger Leute tatsächlich gestorben sind. Dies machten sie für die Schweiz, Schweden und Spanien, drei Länder, die in den Weltkriegen nicht in Kämpfe verwickelt waren. Dabei zeigt sich, dass beispielsweise die Grippepandemie von 1957 zu keiner grossen Übersterblichkeit führte. Demgegenüber schlug das Jahr 2020 in allen drei Ländern mit deutlich zu vielen Todesfällen zu Buche. Besonders stark war Spanien betroffen, wie schon im Jahr 1918 bei der Spanischen Grippe.

Spanische Grippe: Sechsfach erhöhte Sterblichkeit

Die Spanische Grippe gegen Ende des Ersten Weltkriegs war allerdings in allen drei Ländern noch weit schlimmer als die Coronapandemie. Sie hatte zu einer sechs bis sieben Mal höheren Sterblichkeit als das neue Coronavirus geführt. Damals waren besonders junge Männer gefährdet, im Gegensatz zu Corona, wo sich die Übersterblichkeit erst ab einem Alter von ungefähr 60 Jahren zeigt.

«Bis heute ist nicht ganz verstanden, wieso die Sterblichkeit damals so hoch war», sagt Kaspar Staub. «Ein Faktor waren vermutlich Sekundärinfektionen, bei denen zum Virus eine bakterielle Infektion dazu kam. Diese hat man heute besser im Griff.» Massnahmen waren damals ähnliche in Kraft wie jetzt in der Coronakrise, es gab Schulschliessungen und Versammlungsverbote. Dabei war noch nicht mal bekannt, was ein Virus ist.

Fragliche Behördenangaben in Spanien

Heute werden die Massnahmen viel gezielter eingesetzt. Marcel Zwahlen, der als Professor für Epidemiologie an der Universität Bern an der Studie beteiligt war, betont: «Ohne Massnahmen wäre die Übersterblichkeit im Jahr 2020 noch höher gewesen.» Deutlich zeigt sich auch, dass die Schweiz als einziges der drei untersuchten Länder in der Herbstwelle 2020 eine höhere Übersterblichkeit hatte als im Frühling. Marcel Zwahlen sagt:

«Mein Fazit ist, dass die Massnahmen im Herbst zu zögerlich waren.»

In der Studie haben die Forschenden auch die von ihnen berechnete Übersterblichkeit mit den offiziellen Zahlen zu Covid-Todesfällen verglichen. In der Schweiz und Schweden stimmten diese Zahlen gut überein. Die Studie entkräftet also den in coronaskeptischen Kreisen oft geäusserten Vorwurf, dass die Behörden mit zu hohen Todeszahlen die Angst schürten. In Spanien war die Übersterblichkeit sogar deutlich höher als die erfassten Covid-Toten. Das deutet darauf hin, dass in der offiziellen Zählweise nicht alle Fälle erfasst wurden.

Eine Pandemie mit ähnlich hoher Übersterblichkeit wie 2020 hatte es 1890 gegeben. Damals wurden noch kaum Massnahmen ergriffen. Bekannt wurde diese Pandemie als «Russische Grippe». Es ist aber unklar, ob es sich tatsächlich um eine Grippe, also um ein Influenzavirus gehandelt hat. Der andere Kandidat wäre ein Coronavirus, allerdings von einem anderen Typ als das aktuell grassierende Sars-CoV-2.

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