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«Veränderung ist gesund»: Die Kulturstiftung Pro Argovia wird 70

Die Kulturstiftung Pro Argovia feiert heute ihren 70. Geburtstag. Co-Präsident Lukas Renckly erzählt im Interview, wie die Pandemie Kultur und ihre Förderung verändert hat.

Seit 70 Jahren geht es Pro Argovia um die Förderung der Aargauer Kultur. Aber was ist das eigentlich, Aargauer Kultur?

Lukas Renckly: Der Aargau ist der Kanton der Regionen, in dem vieles auch im ländlichen Raum, in den Kleinstädten und den Gemeinden entsteht. Ich denke zum Beispiel an die Kleintheater, die es nahezu flächendeckend gibt, an die Festivalszene, aber eben auch an die Laienkultur, die sehr facettenreich ist.

Pro Argovia

Seit 2020 ist Lukas Renckly (1985) Co-Präsident von Pro Argovia. Die private Kulturstiftung fördert das Aargauer Kulturschaffen. Sie hat unter anderem das Stapferhaus mitbegründet und setzte sich stets gegen Sparmassnahmen im Kulturbereich ein. Am 20. Juni 1952 gegründet, feiert Pro Argovia heute ihren 70. Geburtstag.

Seit 2020 ist Lukas Renckly (1985) Co-Präsident von Pro Argovia. Die private Kulturstiftung fördert das Aargauer Kulturschaffen. Sie hat unter anderem das Stapferhaus mitbegründet und setzte sich stets gegen Sparmassnahmen im Kulturbereich ein. Am 20. Juni 1952 gegründet, feiert Pro Argovia heute ihren 70. Geburtstag.

In einem Porträt, das zum 50. Jubiläum erschienen ist, wurde Pro Argovia in einem Kanton verortet «in dem es keine grossen Theater, keine grossen Konzertsäle gibt». Nun sitzen wir unweit der neuen Alten Reithalle. Was bedeuten diese Leuchttürme für Ihre Arbeit?

Leuchttürme sind immer eine Inspirationsquelle. An ihnen lässt sich erkennen, was kulturell abgedeckt ist, aber eben auch, wo noch Nischen sind. Letztlich können ein paar wenige, grosse Institutionen nicht alles abdecken, die grosse Mehrheit des Kulturschaffens im Kanton Aargau findet im Kleinen statt.

Wie geht es dem Aargauer Kulturschaffen 2022?

Es scheint mir durchzogen. Eine allgemeine Aussage ist mir nicht möglich, es hängt wohl von der Sparte, vom Typus, vielleicht auch von der Region ab. Grundsätzlich hat die Krise aufgezeigt, wie fragil und zerbrechlich die ganze Situation ist.

Die Pandemie hat die Laienkultur hart getroffen. Viele Chöre oder kleinere Orchester waren zum Aufhören gezwungen…

Ja, das ist so. In anderen Branchen ist das allerdings nicht anders. Es ist aber wichtig zu betonen – ganz unabhängig von der Pandemie – dass auch immer wieder Neues entsteht.

Welche Lehren kann man aus dieser Krise ziehen?

Corona hat meines Erachtens gezeigt, wie wichtig es ist, dass sich Kulturbetriebe weiterentwickeln. Sie müssen dem Publikum die Möglichkeit bieten mitzumachen. Das Mitmachen und das Mitentscheiden gehören zum Zeitgeist. Man muss sein Publikum kennen und im Dialog bleiben, um es «an der Stange» zu halten.

Und über einzelne Betriebe hinaus?

Wir müssen mehr über Kultur, ihre Finanzierung und die soziale Absicherung sprechen. Als Gesellschaft müssen wir Lösungen finden, damit dieses ganze Konstrukt nicht mehr wie ein Kartenhaus zusammenbrechen kann.

Inwiefern mussten Sie als Kulturförderer Ihre Rolle anpassen, um auf diese Krise zu reagieren?

Beispielsweise mussten wir auf die physische Preisfeier für die «Pro Argovia Artists» verzichten. Im Gegenzug haben wir professionelle Videos über ihre Produktionen hergestellt. Damit haben wir sie nicht nur finanziell gefördert, sondern ihnen mit den Videos auch ein Marketing-Produkt in die Hand gegeben.

Wie könnte, müsste, sollte also die Kulturförderung von Pro Argovia in Zukunft aussehen?

Wir arbeiten daran, neue Modelle zu entwickeln, wie wir beispielsweise mit Unternehmen, anderen Privaten oder öffentlichen Stellen zusammenarbeiten können.

Wie erleben Sie die Wertschätzung für Kultur in der Gesellschaft?

Ich finde, sie hat einen grossen Stellenwert. Insbesondere wenn man den Blick über die üblichen Institutionen hinaus weitet: Musik- und Theatervereine stellen etwa eine wichtige Betätigung, im Ehrenamt gibt es sehr viel Engagement und «Schnuuf» – gerade in den letzten Pandemiemonaten. Sie hatten es mit ihren bescheidenen Mitteln schwer, sich Gehör zu verschaffen.

Der Kanton Aargau liegt im Ranking, was die finanziellen Mittel für die Kultur betrifft, auch nach Budgetaufstockungen, tendenziell auf den hinteren Rängen.

Das betrifft die Stiftungen genauso. Im Vergleich zu anderen Kantonen gibt es im Aargau sehr wenige Stiftungen pro Kopf.

Kürzlich wurde – auch auf Anregung von Pro Argovia – der Aargauer Kulturverband (AGKV) gegründet. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Der AGKV ist eine politische Lobbyorganisation. Wir sind froh, dass er so erfolgreich gestartet ist und sich gegenüber Politik, Verwaltung und anderen Anspruchsgruppen der Kulturszene positioniert. Wir haben viele gemeinsame Anliegen und sind gemeinsame starke Partner für das Aargauer Kulturschaffen.

Hat sich in diesem Sinne nicht nur die Art der Förderung und der Politik, sondern auch das Kulturverständnis selbst verändert?

Die Diskussion – was Kultur ist – ist niemals zu Ende geführt.

Und was wird zurzeit diskutiert?

Im Sinne der kulturellen Teilhabe muss man sich öffnen. Man muss neue Formen zulassen, die einer diversen Gesellschaft, auch einer Migrationsgesellschaft gerecht werden. Es ist gesund, wenn wir als Stiftung Veränderung unterstützen.

Was wünscht sich Pro Argovia zum 70. Geburtstag?

Das ist eine grosse Frage! (lacht)

Zum Geburtstag darf man sich doch einfach mal etwas wünschen…

Wir wünschen uns, dass Kultur gelebt wird, wir wünschen uns eine möglichst breite Beteiligung der Gesellschaft. Es geht um mehr als finanzielle Mittel, es geht um ein Bekenntnis für die Kultur.

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