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EDU, Piraten und Lösungs-Orientierte: Was die Kleinen motiviert, bei den Nationalratswahlen anzutreten

713 Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Aargau wollen in den Nationalrat. Nicht alle treten für die Grossen an – auch kleine Parteien oder Gruppierungen stellen sich immer wieder zur Wahl, obwohl sie um ihre geringen Chancen wissen.

Die Aargauer Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) ist eine kleine Partei. Genau ein Wählerprozent erreichte sie bei den Nationalratswahlen von 2019. Das war ein Verlust von 0,13 Prozent gegenüber 2015. National liegt der Wähleranteil bei 1,05 Prozent. Dem Kanton Bern hat es 2019, dank einer Listenverbindung, für einen Sitz gereicht. Andreas Gafner ist derzeit der einzige Vertreter im Nationalrat.

Die Chance, dass die Aargauer EDU ebenfalls ins Bundeshaus einziehen wird, sei klein. Da müsse man realistisch bleiben, sagt Kantonalpräsident Roland Haldimann gegenüber der AZ. Die Sektion Aargau wurde 1991 gegründet, im Grossen Rat hat sie zwei Sitze. Nur in Bern, Schaffhausen, Thurgau und Zürich ist die Partei ebenfalls im Kantonsparlament vertreten.

Jetzt tritt sie mit einer vollen Liste im Aargau an. Man lege Wert darauf, möglichst Kandidierende aus allen Regionen des Kantons aufzustellen. «Wir zeigen damit, dass wir da sind», sagt Roland Haldimann. Einzig in den katholisch geprägten Gebieten, in Muri und Bremgarten, fehlten zusätzliche aktive Mitglieder.

Denn der Glaube ist wichtig für die Eidgenössisch-Demokratische Union. Modern sei das nicht, wahrscheinlich erreiche die Partei deswegen nie mehr als ein gutes Prozent der Wählerinnen und Wähler bei den Nationalratswahlen, sagt der Präsident: «Der christliche Glauben ist in der Gesellschaft nicht mehr so tragfähig. Aber wir politisieren bewusst für einen bestimmten Sektor.» Man spreche klar die christlichen Aargauerinnen und Aargauer an. Man verbiege sich nicht, nur weil diese Politik nicht bei allen ankomme.

Listenverbindung mit der SVP

Die EDU ist im Aargau mit der SVP und der FDP in einer Listenverbindung – fast immer arbeitet man mit der SVP zusammen. «Wir fühlen uns bei der SVP sehr gut aufgehoben», sagt Roland Haldimann. Die Zusammenarbeit der beiden EDU-Vertreter im Grossen Rat mit der Fraktion klappe bestens, die Wertschätzung zeige sich in der Tatsache, dass Rolf Haller die Justizkommission präsidiert und Martin Bossert das Ressort Bildung, Kultur und Sport innerhalb der Fraktion übernommen habe. «Wie die grosse Partei mit der EDU umgeht, da kann ich nur sagen: Chapeau», freut sich der Parteipräsident.

Als nationalkonservative Partei ist die EDU meistens einig mit der SVP. Aber sie setzt die Schwerpunkte anders. «Wir gewichten etwa die Zuwanderung nicht gleich stark», sagt Roland Haldimann. Seine Meinung ist klar: Wer verfolgt wird, muss aufgenommen werden, «diesen Menschen müssen wir uns annehmen», schliesslich seien es nicht sehr viele. Andererseits würde die EDU Bemühungen für Hilfe vor Ort unterstützen, «das wäre der bessere Weg für alle».

Alles, was die SVP sich wünsche, mache man nicht mit. So hat die EDU, wie auch die FDP, eine Listenverbindung mit der Gruppierung Mass-Voll strikt abgelehnt. «Wir können unsere christlichen Werte nicht verkaufen», sagt Haldimann. Liberalisierungen beim Tragen von Schusswaffen etwa goutiere man nicht, «das ist absolut nicht nach unserem Gusto».

Schutz der «traditionellen Familie»

So oft man mit der SVP kongruent sei, so gebe es eben auch Unterschiede. Man mache eine andere Sozialpolitik. Als konservative, christliche Partei legt die EDU insbesondere Wert auf die Familie. «Der Schutz des traditionellen Familienbilds ist absolut unser Thema.» Das heisst auch: andere Familienmodelle, etwa gleichgeschlechtliche Partnerschaften, lehnt die EDU ab. «Da stehen wir dazu», sagt Haldimann.

Politisch ist dieser Kampf vorbei, die Ehe für alle wurde von einer grossen Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung angenommen. Es gibt aber auch noch andere Aspekte. So sei es nicht richtig, dass Familien, die ihre Kinder drittbetreuen lassen, steuerlich besser gestellt sind, als jene, die sie daheim behalten. Zwar sei die externe Kinderbetreuung häufig richtig und wichtig, sie solle aber nicht die Norm sein. Zweitens müsse man die «Ungerechtigkeit der Heiratsstrafe» endlich abschaffen.

«Wir machen situative Politik», so der Parteipräsident. So haben man auch mit der SP eine Gemeinsamkeit: Beide stellen sich etwa gegen die Ausdehnung der Sonntagsarbeit mit liberaleren Geschäftsöffnungszeiten.

Zum vierten Mal dabei: Die Piraten

Auch die Piratenpartei ist inzwischen ein fester Bestandteil der hiesigen Parteienlandschaft, bereits zum vierten Mal tritt sie im Aargau zu den Nationalratswahlen an. Bisher war der Erfolg allerdings bescheiden: 2019 erhielten die Piraten 0,34 Prozent der Stimmen. Man sei dabei, neue Mitglieder zu finden, sagt der Vizepräsident und IT-Spezialist der Partei, Stefan Sergi. Dann nehme vielleicht auch der Wähleranteil zu.

Auf Listenverbindungen oder Unterlisten verzichtet die Partei trotzdem. «Das sind rein arithmetische Überlegungen. Damit wollen wir nichts zu tun haben», sagt Stefan Sergi. Gerade die Listenflut in diesem Wahljahr erachte man als sinnfrei. Doch wo reiht sich die Partei im Links-rechts-Schema ein? Das würden die Piraten öfter gefragt, sagt der Vizepräsident. Aber sie liessen sich nicht in eine Schublade stecken: «Wir sprechen Normalbürger an, die genug haben von diesem Gezerre in der Politik.»

Digitalisierung als Wahlprogramm

Stefan Sergi, Nicole Rüegger und Markus Amsler, Piratenpartei Aargau.
Bild: zvg

In den Nationalrat will die Partei vor allem aus einem Grund: «Im Parlament herrscht zu wenig digitale Kompetenz», sagt Stefan Sergi. Dabei müsse man in diesem Thema zwingend vorwärtsmachen – insbesondere beim Persönlichkeitsschutz. Nach dem Vorbild von Genf gehöre das Grundrecht auf digitale Unversehrtheit in die Bundesverfassung. Die Genfer Bevölkerung hat dies im vergangenen Juni mit 94 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Im Nationalrat ist dazu eine parlamentarische Initiative hängig.

Stefan Sergi, Vize-Präsident der Aargauer Piratenpartei.
Bild: zvg

Man sei nicht monothematisch, sagt Stefan Sergi, nehme sich aber hauptsächlich der Digitalisierung an, denn «da machen alle anderen Parteien praktisch nichts». Dafür teilen die Piraten mit einigen Parteien ihr zweites Anliegen, das sie im Nationalrat angehen würden: Den Klimaschutz. «Dort voranzukommen, ist sicher das drängendste», sagt Sergi. Drittens hat sich die Partei den Zugang für alle zur Bildung auf die Fahne geschrieben, «dieser liegt uns Piraten sehr am Herzen».

Allzu aktiv ist die Partei im Wahlkampf nicht. «Wir glauben nicht daran, dass man alle paar Minuten ein Statement in den Sozialen Medien veröffentlichen muss», sagt der Parteivize. Aber: «Wir sind transparent. An unseren Treffen jede zweite Woche, kann uns jeder und jede kennenlernen.»

Lösungs-Orientierte Volks-Bewegung tritt wieder an

Theres Schöni kandidiert für die Lösungs-Orientierte Volks-Bewegung.
Bild: zvg

In der Parteiwerbung zurückhaltend ist auch die Gruppierung LOVB, die Lösungs-Orientierte Volks-Bewegung. Man werte es deshalb als positives Zeichen, dass LOVB bei den Nationalratswahlen 2019 ihr Elektorat von 0,06 auf 0,14 Prozent Wählerstimmen mehr als verdoppeln konnte, sagt Theres Schöni. Die Corona-Skeptikerin ist Spitzenkandidatin auf der Fünfer-Liste und gleichzeitig Ständeratskandidatin für die Gruppierung. 2020 kandidierte sie im Aargau für den Regierungsrat.

Das Wahlziel sei natürlich der Sitzgewinn, aber auch, möglichst viele Menschen «aufzuklären» und erkennen zu lassen, «dass sie in vielen gesellschaftlichen Bereichen an der Nase herumgeführt werden». Als Beispiele dafür nennt Schöni unter anderem die «Klima-, Energie-, Gender- und Asylpropaganda», Strahlenintensitäten bei 5G, die Bildung und die Meinungsfreiheit. «Wer Klarheit, Ordnung und Stabilität sucht, ist bei LOVB an der richtigen Adresse», sagt Theres Schöni.

Partei der Arbeit erstmals mit Liste

Die LOVB ist in einer Listenverbindung mit drei Kleinstparteien, mit jeweils nur einem Kandidierenden: Der Musikpartei MuPa, der Partei rechts-punkt.ch, sowie Slép (Schweizerische Liberté Egalité Partei).

Ohne Listenverbindung geht die Partei der Arbeit im Aargau in die Nationalratswahlen. Die linke Partei tritt im Kanton zum ersten Mal an, mit acht Kandidierenden.

Alleine geblieben ist auch die Gruppierung Mass-Voll um den umstrittenen Corona-Massnahmenkritiker Nicolas Rimoldi. Spitzenkandidat ist Roland Bühlmann. Dieser schätzt in der AZ die Chancen als «durchschnittlich» ein, dass es zu einem Sitz reichen wird.

Klar ist: Wer im Aargau einen Sitz im Nationalrat will, braucht ungefähr sechs Prozent Wähleranteil.

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