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Wasserrad dreht sich: Das Rothrister Postkartensujet ist wieder am «Netz»

Das Lehen-Wasserrad in Rothrist war Ausstellungsobjekt an der «Landi 1939» – nun wurde es aufwendig restauriert.

Das Original-Wasserrad war 1939 an der Landesausstellung in Zürich als Beispiel von Wasserkraftnutzung und meisterhafter Handwerkskunst ausgestellt. Der Zahn der Zeit hatte dem geschichtlich wertvollen Objekt, das im Innern des Spychers per Riemenantrieb einen alten Schleifstein antreibt, arg zugesetzt. Zahlreiche Schaufeln waren abgefallen oder in Mitleidenschaft gezogen. Mit da einer Schraube und dort einer neuen Schaufel war dem nostalgischen Stück nicht mehr zu helfen. Helfen konnte nur eine Generalüberholung. So wurden die Schaufeln entfernt und das Wasserrad für längere Zeit stillgelegt, was bei der «grossen Fangemeinde» nicht gut ankam, wie Leserbriefen im «Zofinger Tagblatt» zu entnehmen war.

Schreiner Severin Telley musste für die Befestigung der 24 Schaufeln und Halterungen nicht weniger als 98 Muttern anziehen.
Bild: Bruno Muntwyler

In der Werkstatt der Schreinerei Hunziker um Geschäftsinhaber Daniel Süss wurde nach erstellten Plänen wetterbeständiges und langlebiges Eichenholz verarbeitet. Breite und Tiefe der Schaufeln mussten dabei genau stimmen, so der Fachmann. Involviert in die Arbeiten waren auch die Lehrlinge. Für den Unterhalt des Wasserrades, der Umgebung mit Spycher und Findling ist die Einwohnergemeinde verantwortlich, die auch der Schreinerei den entsprechenden Auftrag erteilte.

Gustav Braun erwarb den «Zeitzeugen»

Wie aus alten Zeitungsberichten hervorgeht, trieb das Wasserrad um 1900 die Drehbänke von August Lüscher in der Hungerzelg (Ausgang Rothrist in Richtung Murgenthal) an. Nach der Auflösung seiner Werkstatt und einer Ruhepause wurde dem Wasserrad grosse Ehre und Aufmerksamkeit zuteil. Als Beispiel der Wasserkraftnutzung war es 1939 an der Landesausstellung in Zürich ausgestellt. Gustav Braun erstand das Mühlerad nach der «Landi» für 150 Franken und rettete es dadurch vor der Verschrottung. So kam es zurück nach Rothrist.

Über 20 Jahre war es neben dem Lehenhof in Betrieb. Der Zustand verschlechterte sich und so verschwand, was noch intakt war, in einem Schuppen. Nach dem völligen Zerfall des Rades erinnerte sich der Heimatverein des Kulturgutes. 1985 entstand in unzähligen Stunden Fronarbeit praktisch ein neues, originalgetreues Wasserrad. Direkt beim Wasserrad am Bach steht seit bald vier Jahrzehnten ein Spycher, der mit dem Findling mit Hinweistafel Jung und Alt zum Verweilen einlädt. Der Spycher mit Biberschwanzziegeldach wurde 1987 ohne Leim und Nägel neu errichtet. Dies ist der Initiative von den verstorbenen August Rüegger, Max Weber und Freiwilligen zu verdanken. Für die baulichen Massnahmen und die Kosten kam damals grosszügig und unbürokratisch der Heimatverein Rothrist auf.

Leider wurde das Stück »Rothrister Kulturerbe» in den vergangenen Jahren immer wieder Opfer von Vandalenakten, sodass der rustikale Tisch entfernt wurde. Dabei ist das Wasserrad ein Zeitzeuge, den es zu bewahren gilt. Der Platz ist auch ein Ort der Begegnung. Nun dreht sich das Wasserrad wieder – sehr zur Freude der Passanten und Kinder, die vom Brücklein über den Rothbach dem wieder vitalen Wasserrad zuschauen können.

Auch «Bündnerstube» kam nach Rothrist

Die Landi-Restaurants wurden nach der Schliessung der erfolgreichen Landesausstellung im Jahr 1939 verkauft. Für die populäre «Bünderstube» bot der Rothrister Restaurateur August Hofer («Hübeli-Güschtu») den besten Preis. In 42 Fuhren wurde das komplett zerlegte Restaurant durch die Firma Giezendanner – ­Vater von alt Nationalrat Ulrich Giezendanner – nach Rothrist gebracht. 1963 verkaufte August Hofer die Bündnerstube dem Wirte-Ehepaar Arber-Leuenberger. Die steigende Zahl der Kundschaft erforderte bald einen Ausbau – vorerst einen grossen Saal und später eine Bar. Über 40 Jahre wirteten Martha und Heinz Arber mit Erfolg und viel Herzblut in ihrer «Bündnerstube». Nach einem kompletten Rückbau eröffnete am 19. März 2009 der deutsche Discounter Lidl eine Filiale auf dem ehemaligen Terrain der «Bündnerstube».

Das wieder vitale Wasserrad treibt im Innern des Spychers wie zu Gotthelfs Zeiten mittels Riemenanterieb einen Schleifstein an.
Bild: Bruno Muntwyler

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